GEO600 auf dem Weg zum nächsten Level

Der Gravitationswellen-Detektor wird aufgerüstet, um Signale bei sehr hohen Frequenzen zu beobachten.

25. April 2025

Auf den Punkt gebracht

  • Völlig neue Beobachtungen: Der Gravitationswellen-Detektor GEO600 wird aufgerüstet, um Signale bei sehr hohen Frequenzen beobachten zu können. Die Kalibrierung des Detektors und erste Testläufe sind für das Jahr 2025 geplant.
  • Neue Erkenntnisse: Der Nachweis hochfrequenter Gravitationswellen könnte neue Informationen über dunkle Materie, exotische Physik und das frühe Universum liefern.
  • Bereit für die Zukunft: Mit den Upgrades auf dem neuesten Stand der Wissenschaft bleibt GEO600 ein Pionier der Gravitationswellen-Forschung.

Gravitationswellen

Gravitationswellen sind Vibrationen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie entstehen bei der beschleunigten Bewegung von Massen, beispielsweise wenn zwei Schwarze Löcher einander umrunden. Der Rhythmus dieser Bewegung bestimmt den Rhythmus oder die Frequenz der Gravitationswellen, die ins All abgestrahlt werden. Je schneller die Bahnbewegung ist, desto höher ist die Frequenz der Gravitationswellen.

Die derzeitigen Detektoren LIGO, Virgo und KAGRA beobachten Gravitationswellen in einem Frequenzbereich von 10 Hertz bis 6000 Hertz. Dabei misst die Einheit Hertz die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde. In diesem Bereich werden regelmäßig Verschmelzungen von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen beobachtet. Mehr als 90 bestätigte Signale und über 200 Signal-Kandidaten sind es bis heute. In diesem Frequenzbereich werden auch Signale von einzelnen, rotierenden Neutronensternen und explodierenden Sternen erwartet.

Dunkle Materie, exotische Physik und das frühe Universum

„In unserem Universum könnte es exotische Objekte geben, die Gravitationswellen mit sehr hohen Frequenzen – bis zu einer Million Hertz und mehr – aussenden“, sagt James Lough, leitender Wissenschaftler bei GEO600. „Die Suche nach diesen schnell vibrierenden Raumzeit-Wellen wird unser Verständnis von kalter dunkler Materie, exotischer Physik und dem frühen Universum vertiefen – selbst wenn wir keine Gravitationswellen mit diesen Frequenzen finden.“

Mit diesem Upgrade bleibt GEO600 auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und ein Pionier der Gravitationswellen-Forschung. Das wird unser erster tiefer Einblick in einen weitgehend unerforschten Teil des Gravitationswellen-Spektrums sein.
Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover

Einen Gravitationswellen-Detektor aufrüsten

Bei GEO600 sind zwei wesentliche Upgrades erforderlich. Das eine betrifft die Quelle des Laserlichts, mit der die durch Gravitationswellen verursachten Längenänderungen gemessen werden. Das andere betrifft die Aufzeichnung und digitale Speicherung dieser Messungen.

Die Laserquelle bei GEO600, die als „Blaupause“ für die Lasersysteme anderer Gravitationswellen-Detektoren weltweit diente, wurde verbessert. Die Forschenden haben einen neuen Laser-Verstärker eingebaut, der für den Detektor bis zu 70 Watt Laserleistung bereitstellt und die Messgenauigkeit erhöht.

Außerdem wird das Datenerfassungssystem von GEO600 mit neuen Komponenten aufgerüstet. Diese werden die Messdaten 4 Millionen Mal pro Sekunde erfassen, um die Beobachtung von Gravitationswellen mit sehr hoher Frequenz zu ermöglichen. Bisher wurden die Daten von GEO600 rund 16.000-mal pro Sekunde erfasst. Das wäre für die geplanten neuen Beobachtungen viel zu langsam.

Der Weg zur Beobachtung hochfrequenter Gravitationswellen

Das GEO600-Team hat den neuen Laserverstärker mit hoher Leistung im August 2024 erfolgreich installiert. Seitdem läuft er zuverlässig. Die Forschenden haben auch bereits erste Daten mit dem neuen Hochgeschwindigkeits-Erfassungssystem aufgenommen.

„Als Nächstes werden wir alles zusammenführen, um den Detektor zu kalibrieren und seine Empfindlichkeit zu untersuchen. Wir werden nach Rauschquellen suchen und diese minimieren, um die Empfindlichkeit weiter zu verbessern“, erklärt James Lough. „Sobald alles klappt, wird es spannend. Dann können wir mit den ersten Testbeobachtungen beginnen und die neuen Daten analysieren.“

„Das ist ein Schritt in unbekanntes Terrain und ein Reich neuer Quellen von Gravitationswellen. Das GEO600-Team wird nach Signalen suchen, die bisher niemand finden konnte“, ergänzt Karsten Danzmann.


Hintergrundinformationen

Die Quellen hochfrequenter Gravitationswellen

Nach unserem derzeitigen Verständnis enthält unser Universum fünfmal mehr dunkle Materie als normale Materie. Was diese allgegenwärtige, aber schwer fassbare Materieform ist, ist noch unbekannt. Eine mögliche Erklärung: sie besteht aus einem noch unbekannten Elementarteilchen.

Bestimmte Arten dieser dunklen Materie, sogenannte „ultraleichte Bosonen“, könnten Wolken um Schwarze Löcher bilden. In der Regel drehen sich Schwarze Löcher schnell um ihre Achse. Dadurch ist eine sehr große Energiemenge in ihrer Rotation gespeichert. Wolken aus ultraleichten Bosonen können dieses Energiereservoir anzapfen. Durch den Prozess der sogenannten „Superradianz Schwarzer Löcher“ können sie es in hochfrequente Gravitationswellen umwandeln.

Die von Bosonenwolken um rotierende Schwarze Löcher erzeugten Gravitationswellen würden sehr lange andauern. Ihre Frequenz hängt von der Masse der (unbekannten) ultraleichten Bosonen und von den Eigenschaften des Schwarzen Lochs ab, das sie umrunden. Die Suche nach hochfrequenten Gravitationswellen mit GEO600 wird sich auf Wolken konzentrieren, in denen die Bosonen Massen in einem bisher unerforschten Bereich haben.

Andere mögliche Quellen für hochfrequente Gravitationswellen sind

  • Verschmelzungen von sehr leichten Schwarzen Löchern, die im frühen Universum entstanden sind und als „primordiale Schwarze Löcher“ bekannt sind, und
  • Verschmelzungen von exotischen kompakten Objekten, die Neutronensternen und Schwarzen Löchern ähneln, aber aus noch unbekannten Elementarteilchen bestehen, und
  • verschiedene Prozesse im frühen Universum.

Den Detektor stimmen: Scans bei hohen Frequenzen

Gravitationswellen verändern die Helligkeit des Laserstrahls, der das Interferometer – das Herzstück der Detektoren – verlässt. Die Gesamtempfindlichkeit des Detektors für Gravitationswellen lässt sich erhöhen, indem diese Helligkeitsänderungen wieder in das Interferometer eingespeist werden. Dazu wird ein teilweise reflektiver Spiegel sehr präzise am Ausgang des Detektors platziert.

Diese „Signalüberhöhung“ genannte Methode lässt sich auch verwenden, um den Detektor zu „stimmen“. Dadurch erhöht sich seine Empfindlichkeit in einem bestimmten, vergleichsweise schmalen Frequenzband – ähnlich wie beim Einstellen eines bestimmten Senders an einem UKW-Radio. In Gravitationswellen-Detektoren wird dies durch mikroskopische Veränderungen der Position des teilweise reflektiven Spiegels erreicht. Das GEO600-Team hat damit Erfahrung: Es hat den Detektor bereits auf diese Weise betrieben, um die Empfindlichkeit für Gravitationswellen zu optimieren.

Die Abstimmung des Detektors auf Gravitationswellen einer bestimmten Frequenz hat ihren Preis. Das Instrument wird dadurch weniger empfindlich für Frequenzen außerhalb des Zielfrequenzbandes. Verändert man die Verstimmung aber wiederholt und beobachtet dann bei der Frequenz mit der optimalen Empfindlichkeit, ist es möglich, einen breiten Frequenzbereich mit einer Empfindlichkeit zu scannen, die sonst nicht erreichbar wäre.

Für die kontinuierlichen Gravitationswellen mit den sehr hohen Frequenzen, die GEO600 beobachten soll, spielt diese Verstimmung eine wichtige Rolle, um den breiten Bereich möglicher Signalfrequenzen und -typen zu erfassen.

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