Entscheidender Fortschritt für LISA, das Gravitationswellen-Observatorium im Weltall
AEI und OHB Systems AG unterzeichnen Vertrag für die Weiterentwicklung und industrielle Fertigung des zentralen LISA-Messinstruments.
LISA, die Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) unter Beteiligung der NASA, soll voraussichtlich 2035 ins All starten und dort mithilfe von Gravitationswellen völlig neue Informationen über die dunkle, unsichtbare Seite des Universum sammeln. Das Schlüsselinstrument für die Beobachtungen ist das Phasenmeter, das am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover zusammen mit internationalen Partnern entwickelt wurde. Das AEI und die OHB System AG haben einen Vertrag über die Weiterentwicklung und Fertigung des Phasenmeters für LISA geschlossen. Damit beginnt – finanziert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt – die Realisierung des Präzisionsmessinstruments, das auch auf anderen Forschungsgebieten eingesetzt werden kann.

„LISA wird eine Entdeckungsmission sein und uns einen vollkommen neuen Blick auf das Universum ermöglichen.“, sagt Karsten Danzmann, der auch Professor an der Leibniz Universität Hannover ist. „Mit dem Phasenmeter wird das wissenschaftliche Herzstück der Mission in Deutschland entwickelt und gebaut. Ich freue mich sehr, dass die von uns entwickelte Präzisionstechnologie auch auf anderen Weltraummissionen, beispielsweise für die Erdbeobachtung, eingesetzt werden kann.“
LISA
LISA wird das erste Gravitationswellen-Observatorium im All sein. Es wird aus drei Satelliten bestehen, die sich in einer dreieckigen Konfiguration – verbunden durch 2,5 Millionen Kilometer lange Arme aus Laserlicht – auf einer erdähnlichen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen werden.
LISA wird Gravitationswellen von Quellen aus dem gesamten Universum, fast bis zurück zum Urknall beobachten können. Diese Gravitationswellen werden winzige Änderungen – kleiner als der Durchmesser eines Atoms – der Laserarme hervorrufen. LISA wird diese Längenänderungen messen, indem es mit Hilfe von Laserlicht die Bewegungen von Testmassen überwacht, die im Inneren der Satelliten frei fallen.
Das Phasenmeter

Das LISA-Phasenmeter wird die winzigen Veränderungen (Phasenverschiebungen) des Laserlichts messen, die von den Gravitationswellen hervorgerufen werden. Das Phasenmeter ist somit ein Schlüsselwerkzeug, um diese Kräuselungen der Raumzeit zu beobachten und so mehr über ihre Quellen in den Tiefen des Universums zu erfahren.
Am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik begann die Entwicklung des Phasenmeters vor rund 20 Jahren und wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der ESA finanziert. Im Auftrag des DLR erfolgte als letzter Schritt die Entwicklung zu einer Technologie-Reife, die den Übergang in die industrielle Fertigung ermöglicht.
Als Gewinner einer europaweiten Ausschreibung übernimmt die OHB System AG in Oberpfaffenhofen nun die nächste Entwicklungsstufe. In dieser soll das Phasenmeter zur industriellen Produktreife für den Einsatz unter Weltraumbedingungen – zunächst zum Engineering Model – weiterentwickelt werden.
Die Weiterentwicklung und Fertigung des Phasenmeters sind der zentrale Beitrag Deutschlands zur LISA-Mission.
Phasenmeter für die Geodäsie aus dem All
Die für LISA entwickelte Technologie des Phasenmeters kommt auch in Geodäsie-Satellitenmissionen wie GRACE Follow-On zum Einsatz. Sie überwachen das Erdschwerefeld und damit unter anderem den Wasserhaushalt des Planeten. Auch für die geplante ESA-Geodäsie-Mission NGGM soll das Phasenmeter auf den Entwicklungen am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik aufbauen.
Hintergrundinformationen
LISA-Forschung am AEI
Das Institut hat LISA-Forschungsgruppen an seinen Standorten Hannover und Potsdam. Es spielt eine führende Rolle bei der Entwicklung von Schlüsselkomponenten der Hardware, der Erforschung der Laser-Interferometrie für LISA und bei der Modellierung der Quellen, der Datenanalyse und der Nutzung der wissenschaftlichen Ergebnisse.
Gravitationswellen-Astronomie mit LISA
Gravitationswellen sind Kräuselungen der Raumzeit, die entstehen, wenn sich Massen beschleunigt bewegen. Derzeitige Detektoren auf der Erde messen Gravitationswellen, die von verschmelzenden Paaren Schwarzer Löcher oder Neutronensterne stammen.
LISA wird Gravitationswellen im noch unerforschten Fenster zwischen 0,1 mHz und 1 Hz aufspüren, bei Frequenzen, die Detektoren auf der Erde nicht beobachten können. Wellen in diesem Frequenzbereich entstehen, wenn extrem massereiche Schwarzer Löcher kollidieren und miteinander verschmelzen. Sie lauern mit Massen von mindestens einer Million Sonnen in den Zentren ferner junger Galaxien. LISA wird diese Prozesse in der gesamten Geschichte des Universums nachweisen und so den noch unbekannten Ursprung und das Wachstum extrem massereicher Schwarzer Löcher direkt untersuchen. Einzigartig an LISA ist der Nachweis von Gravitationswellen, die von stellaren Schwarzen Löchern stammen, die um massereiche Schwarze Löcher in Galaxienkernen kreisen. Mit diesen Signalen lässt sich die Geometrie der Raumzeit untersuchen und das Wesen der Gravitation testen. LISA wird nicht nur eine große Anzahl von Doppel- und Mehrfachsystemen kompakter Objekte in unserer Milchstraße aufspüren, die uns Aufschluss über die Entwicklung von Doppelsternen geben, sondern auch die Galaxie jenseits des galaktischen Zentrums „sehen“. Dazu gehören viele Objekte, die für alle anderen astronomischen Instrumente unsichtbar sind.
Da LISA die Schwerkraft als Signalquelle nutzt, wird die Mission unser Wissen über den Beginn, die Entwicklung und die Struktur unseres Universums vervollständigen. Die Untersuchung von Gravitationswellen bietet darüber hinaus enormes Potenzial, bislang unzugängliche Teile des Universums zu entdecken; dazu zählen unter anderem das Echo des Urknalls, also Kräuselungen der Raumzeit, die durch Störungen des Plasmas kurz nach dem Urknall entstanden, und andere, noch unbekannte Phänomene. Gemeinsam mit anderen astronomischen Methoden und Gravitationswellen-Observatorien auf der Erde werden die LISA-Forschenden zu den nächsten großen Entdeckungen beitragen, um Fragen wie „Was sind die fundamentalen Gesetze des Universums?“ und „Wie ist das Universum entstanden und woraus besteht es?“ zu beantworten.