Schwarze Löcher auf Abwegen: Vijay Varma erhält den Postdoc-Preis des Landes Brandenburg

Der Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik wird für seine innovative Forschung über verschmelzende Schwarze Löcher ausgezeichnet.

24. November 2022

Dr. Vijay Varma entwickelt Modelle, um Schwarze Löcher aufzuspüren, die nach der Verschmelzung mit einer Geschwindigkeit von Tausenden von Kilometern pro Sekunde weggeschleudert werden. Ihm gelang erstmals der Nachweis eines solchen „entlaufenen“ Schwarzen Lochs in den Daten der Gravitationswellen-Detektoren – damit ist der Grundstein für eine neue Beobachtungsmethode gelegt. Mit der Auszeichnung würdigt das Land Brandenburg herausragende Forschungsarbeiten von Postdoktorand:innen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.

„Ich fühle mich sehr geehrt durch diese wunderbare Anerkennung meiner Forschungsarbeit“, sagt Varma. „Ich möchte mich bei meinen Mentoren bedanken, die mich  während meiner gesamten Laufbahn begleitet haben und den Kolleg:innen von LIGO und Virgo Respekt zollen, denn ohne diese einzigartigen Detektoren wäre dies alles nicht möglich gewesen.“

Erster Nachweis eines „entlaufenen“ Schwarzen Lochs

Wenn zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen, entstehen Gravitationswellen. Solche Kräuselungen der Raumzeit hatte Albert Einstein bereits 1916 vorausgesagt und seit September 2015 können sie auch auf der Erde gemessen werden. Die Signale enthalten Informationen über die Eigenschaften der verschmelzenden Schwarzen Löcher, etwa über ihre Masse und ihren Eigendrehimpuls, sowie über ihre Position im All. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie macht jedoch noch eine weitere spektakuläre Vorhersage zu diesem Thema: nach der Verschmelzung kann das neu entstandene Schwarze Loch mit Geschwindigkeiten von Tausenden von Kilometern pro Sekunde weggeschleudert werden. Bis vor kurzem konnte diese theoretische Vorhersage nicht überzeugend mit experimentellen Daten belegt werden. Doch nun fand Dr. Vijay Varma, Marie Curie-Stipendiat in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) den ersten Nachweis eines solchen weggeschleuderten Schwarzen Loches. Gemeinsam mit Kolleg:innen untersuchte er das Gravitationswellenereignis GW200129. Das am 29. Januar 2020 von den Gravitationswellendetektoren LIGO in den USA und Virgo in Italien aufgefangene Signal stammt von der Verschmelzung eines 40 Sonnenmassen schweren Schwarzen Lochs mit einem 22 Sonnenmassen schweren Partner.

Visualisierung der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher (GW200129). Dabei wurde angenommen, dass die Schwarzen Löcher die wahrscheinlichsten aus dem Signal GW200129 ermittelten Eigenschaften aufweisen. Das Doppelsternsystem hat einen beträchtlichen Spin in der Bahnebene, was zu einer Präzession dieser Ebene führt. Dies beeinflusst das Gravitationswellensignal und führt zu dem großen Kick nach der Verschmelzung.<br />Siehe auch https://vijayvarma392.github.io/GW200129/ für weitere Details.

GW200129

Visualisierung der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher (GW200129). Dabei wurde angenommen, dass die Schwarzen Löcher die wahrscheinlichsten aus dem Signal GW200129 ermittelten Eigenschaften aufweisen. Das Doppelsternsystem hat einen beträchtlichen Spin in der Bahnebene, was zu einer Präzession dieser Ebene führt. Dies beeinflusst das Gravitationswellensignal und führt zu dem großen Kick nach der Verschmelzung.
Siehe auch https://vijayvarma392.github.io/GW200129/ für weitere Details.
https://www.youtube.com/watch?v=LgZft-rMaDQ

Zurückprallende Schwarze Löcher

Bei der Verschmelzung von Schwarzen Löchern wird im Bruchteil einer Sekunde eine gewaltige Menge Energie in Form von Gravitationswellen freigesetzt. Sind die Wellen in manchen Richtungen stärker als in anderen, können sie Impuls mitnehmen. Um den Gesamtimpuls des Systems zu erhalten, bewegt sich der Massenschwerpunkt des Doppelsterns in die entgegengesetzte Richtung, ähnlich wie ein Gewehr nach dem Abschuss einer Kugel zurückprallt. Das neu entstandene Schwarze Loch erfährt eine Rückstoßgeschwindigkeit, die als „Kick“ bezeichnet wird.

„Der Kick hängt vom Verschmelzungsprozess ab. Einsteins Gleichungen beschreiben die Verschmelzung und wir nutzen Simulationen auf Supercomputern, die diese Gleichungen lösen, um den Kick zu berechnen“, erläutert Varma. In dem von Varma untersuchten System wurde das entstandene Schwarze Loch mit 1500 km/s weggeschleudert. Solche Kicks sind größer als die Fluchtgeschwindigkeit der meisten Galaxien, was bedeutet, dass das entstandene Schwarze Loch aus seiner Heimatgalaxie herausgeschleudert werden kann. „Mit unserer Messung des Kicks haben wir völlig neue Beobachtungsmöglichkeiten erschlossen“, sagt Varma. „Wir können damit die Entstehung schwerer Schwarzer Löcher erforschen und grundlegende Tests der Einsteinschen Relativitätstheorie durchführen.“

Postdoc-Preis des Landes Brandenburg

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur vergibt den mit jeweils 20.000 € dotierten Postdoc-Preis des Landes Brandenburg jährlich in den Kategorien Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften. 10.000 € der jeweiligen Preissumme müssen die Preisträger:innen für wissenschaftliche Zwecke verwenden, die übrigen 10.000 € stehen ihnen zur freien Verfügung.
Neben dem Preisgeld erhalten die Preisträgerinnen und Preisträger eine vom brandenburgischen Künstler Christian Roehl geschaffene Statue.

 

 

 

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