ESA gibt grünes Licht für Flagschiff-Mission zur Gravitationswellen-Beobachtung im Weltraum

Mit dem heutigen Beschluss zur Annahme der Mission geht die LISA-Mission in die Konstruktionsphase

25. Januar 2024

LISA, die „Laser Interferometer Space Antenna“, hat eine wichtige Prüfung mit Bravour bestanden: Das vollständige Konzept – von der Definition der Gesamtmission und des Betriebs bis hin zur zu konstruierenden Weltraum-Hardware – hielt der intensiven Prüfung durch die ESA-Fachleute stand. Nun hat das Science Programme Committee (SPC) der Weltraumorganisation bestätigt, dass LISA ausreichend ausgereift ist und die Entwicklung der Mission wie geplant fortgesetzt werden kann. LISA soll Mitte der 2030er Jahre in die Umlaufbahn gebracht werden.

„Mit der Entscheidung zur „Adoption“, zur Annahme als Mission, ist LISA nun fest im Missionsprogramm der ESA verankert. Wir freuen uns darauf, LISA in enger Zusammenarbeit mit der ESA, der NASA, den ESA-Mitgliedsstaaten und dem erweiterten LISA-Konsortium zu verwirklichen“, sagt Karsten Danzmann, Leiter des LISA-Konsortiums, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.

„Diese bahnbrechende Mission wird uns in einem wirklich spannenden Bereich der Weltraumforschung auf die nächste Stufe heben und die europäischen Wissenschaftler*innen an der Spitzenposition der Gravitationswellenforschung halten“, sagt ESA-Wissenschaftsdirektorin Carole Mundell.

„Die Stärke, die Anzahl und die Art der Signale in den LISA-Daten unterscheiden sich erheblich von denen der Detektoren auf der Erde“, sagt Alessandra Buonanno, Mitglied des LISA-Konsortium-Boards. „Dank der herausragenden Empfindlichkeit von LISA werden wir die gemessenen Gravitationswellen mit außerordentlicher Präzision untersuchen können“. Sie fügt hinzu: „Wir haben jetzt ein Jahrzehnt Zeit, um sicherzustellen, dass alle „Werkzeugkästen“ für eine möglichst ertragreiche wissenschaftliche Nutzung von LISA bereit sind.“ Buonanno ist Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam und Professorin an der University of Maryland, College Park.

„Die Annahme der Mission durch die ESA ist in vielerlei Hinsicht ein neuer Anfang. Jetzt ist es Zeit, all unsere großartigen Ideen, Prototypen und Modelle zu echter Flughardware zu machen, die nicht nur einzeln, sondern gemeinsam als großes Instrument auf drei Satelliten, die 2,5 Millionen Kilometer voneinander entfernt sind, funktionieren“, kommentiert Guido Müller den Erfolg. Müller ist Principal Investigator des interferometrischen Messsystem (Interferometric Detection System) von LISA, dem größten und komplexesten Nutzlastsystem der Mission, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover und Professor an der University of Florida.

Mission Adoption Review und Missionsannahme

Die erfolgreiche Überprüfung der Annahme der Mission (Mission Adoption Review) von LISA und die Verabschiedung durch das Wissenschaftsprogrammkomitee (Science Programme Committee) der ESA am 25. Januar stellen das offizielle Ende der Studienphase dar. LISA wird nun in die Umsetzungsphase übergehen, in der die nächsten wichtigen Meilensteine die Auswahl eines industriellen Hauptauftragnehmers, die vorläufige Entwurfsprüfung (Preliminary Design Review) und die kritische Entwurfsprüfung (Crititcal Design Review) sind.

Während der Studienphase konzentrierte sich das LISA-Team auf die Entwicklung der Missionsanforderungen und der Schlüsseltechnologien bis zum erforderlichen Technologie-Reifegrad. Alle Missionspartner und Auftragnehmer einigten sich auf eine Reihe von Schlüsselschnittstellen und Leistungsanforderungen, die als Grundlage für Verträge in der Implementierungsphase dienen werden. Die ESA und ihre Missionspartner legten auch ihre künftige Zusammenarbeit in internationalen Vereinbarungen fest, die beispielsweise die Bereitstellung von Hardware, die Verantwortlichkeiten für die wissenschaftlichen Ergebnisse der Mission und die Auswertung der Daten betreffen.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Studienphase und der Überprüfung der Missionsannahme wurde die Mission zusammen mit ihrem rechtlichen Rahmen von den Beratungsgremien der ESA zur Annahme empfohlen. In seiner Sitzung am 25. Januar hat der Ausschuss für das Wissenschaftsprogramm der ESA (SPC) nun die Annahme von LISA genehmigt.

LISA-Forschung am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI)

Das AEI hat LISA-Forschungsgruppen an seinen Standorten Hannover und Potsdam. Es ist die Institution mit der größten Anzahl von Mitgliedern im LISA-Konsortium. Es spielt eine führende Rolle bei der Entwicklung von Schlüsselkomponenten der Hardware und bei der Modellierung der Quellen, der Datenanalyse und der Nutzung der wissenschaftlichen Ergebnisse.

Das AEI Hannover verfügt über die weltweit größten Labore für die LISA-Interferometrie. Das Institut leitet und managt das interferometrische Messsystem (Interferometric Detection System), das größte und komplexeste Nutzlastsystem an Bord der LISA-Satelliten. Es ist auch für das Hauptinstrument der Mission, das LISA-Phasemeter, verantwortlich, das es in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dänemark entwickelt.

Die Forschenden des AEI Potsdam sind weltweit führend in der Vorhersage von genauen und effizienten Gravitationswellen-Modellen von LISA-Quellen und verwenden dafür sowohl analytische als auch numerische Lösungen der Relativitätstheorie. Sie haben auch Pionierarbeit bei der Entwicklung neuartiger Berechnungsmethoden und Methoden maschinellen Lernens für die effiziente und genaue Parameterbestimmung in LISA-Daten geleistet. Mit dieser einzigartigen Kombination verschiedener Expertise spielt das AEI Potsdam eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung auf die wissenschaftliche Nutzung von LISA. Ihre Werkzeuge sind die Grundlage der Wissenschaft mit LISA-Daten, unter anderem bei der Erstellung von Katalogen astrophysikalischer Quellen aus LISA-Daten für detaillierte Studien der Population massereicher Schwarzer Löcher, bei der Untersuchung der Ausdehnung unseres Universums und bei den bisher präzisesten Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Das AEI spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Produktion der ersten LISA-Datenprodukte. Das AEI Hannover entwickelt einen Hardware-in-the-Loop-LISA-Teststand, um möglichst realistische simulierte Signale zu erzeugen, die mit den am AEI Potsdam entwickelten astrophysikalischen Datenanalyse-Pipelines kombiniert werden – gemeinsam decken sie so den ganzen Weg von den Laserphotonen bis zu den abgeleiteten Parametern der astrophysikalischen Quellen ab.

LISA-Forschung zur Erkundung des unsichtbaren Universums

LISA wird Gravitationswellen im noch unerforschten Fenster zwischen 0,1 mHz und 1 Hz aufspüren, bei Frequenzen, die Detektoren auf der Erde nicht beobachten können. Wellen in diesem Frequenzbereich entstehen bei der Kollision und Verschmelzung zweier massereicher Schwarzer Löcher, die mit Massen von mindestens einer Million Sonnen in den Zentren ferner junger Galaxien lauern. LISA wird diese Verschmelzungen in der gesamten Geschichte des Universums nachweisen und so den noch unbekannten Ursprung und das Wachstum massereicher Schwarzer Löcher direkt untersuchen. Einzigartig an LISA ist der Nachweis von Gravitationswellen, die von stellaren Schwarzen Löchern stammen, die um massereiche Schwarze Löcher in Galaxienkernen kreisen. Mit diesen Signalen lässt sich die Geometrie der Raumzeit untersuchen und das Wesen der Gravitation testen. LISA wird nicht nur eine große Anzahl von Doppel- und Mehrfachsystemen kompakter Objekte in unserer Milchstraße aufspüren, die uns Aufschluss über die Entwicklung von Doppelsternen geben, sondern auch die Galaxie jenseits des galaktischen Zentrums „sehen“. Dazu gehören viele Objekte, die für alle anderen astronomischen Instrumente unsichtbar sind.

Da LISA nur die Schwerkraft als Signalquelle nutzt, wird die Mission unser Wissen über den Beginn, die Entwicklung und die Struktur unseres Universums vervollständigen. Die Untersuchung von Gravitationswellen bietet darüber hinaus enormes Potenzial, bislang unzugängliche Teile des Universums zu entdecken; dazu zählen unter anderem das Echo des Urknalls, also Kräuselungen der Raumzeit, die durch Störungen des Plasmas kurz nach dem Urknall entstanden, und andere, noch unbekannte Phänomene. Gemeinsam mit anderen astronomischen Methoden und Gravitationswellen-Observatorien auf der Erde werden die LISA-Forschenden zu den nächsten großen Entdeckungen beitragen, um Fragen wie „Was sind die fundamentalen Gesetze des Universums?“ und „Wie ist das Universum entstanden und woraus besteht es?“ zu beantworten.

Der LISA-Detektor ist das erste Gravitationswellen-Observatorium seiner Art im All. Es besteht aus drei Satelliten in einer dreieckigen Konfiguration mit 2,5 Millionen Kilometern langen Armen, die sich auf einer erdähnlichen Umlaufbahn um die Sonne bewegen. Gravitationswellen von Quellen im gesamten Universum werden winzige Änderungen der Armlängen (kleiner als der Durchmesser eines Atoms) hervorrufen. LISA wird diese Bewegungen messen und so Gravitationswellen beobachten, indem es mit Hilfe von Laserlicht die Bewegungen von Testmassen überwacht, die im Inneren der Satelliten frei fallen. Die LISA-Satelliten werden von der ESA, ESA-Mitgliedsstaaten und der NASA gebaut.

Hardware bereits erfolgreich getestet

Die LISA zugrundeliegende Messtechnik wurde zuvor mit dem LISA Pathfinder (LPF) der ESA unter Beteiligung der NASA erfolgreich im Weltraum getestet. LPF hat gezeigt, dass es möglich ist, Testmassen in einem nahezu perfekt ruhigen freien Fall zu platzieren, und die Anforderungen der für LISA benötigten hochpräzisen Messtechnik zu erfüllen.

Das LISA-Konsortium ist eine große internationale Kollaboration, die die Ressourcen und das Fachwissen von Forschenden aus vielen Ländern der Welt vereint. Gemeinsam mit der ESA, ihren Mitgliedsstaaten und der NASA arbeitet das LISA-Konsortium daran, die LISA-Mission zu verwirklichen.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht