Wenn das Schwarze Loch zweimal klingelt
Erste starke Hinweise auf mehrere Töne im Abklingen nach der Kollision zweier Schwarzer Löcher
Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover hat erstmals starke beobachtungsbasierte Hinweise auf mehrere Gravitationswellenfrequenzen im Abklingen einer Verschmelzung Schwarzer Löcher gefunden. Das Team entdeckte, dass das im Ereignis GW190521 entstandene mittelschwere Schwarze Loch nach der Verschmelzung kurzzeitig bei mindestens zwei Frequenzen vibrierte. Dieser sogenannte Ringdown ist eine fundamentale Vorhersage der allgemeinen Relativitätstheorie. Seine Beobachtung erlaubt Tests dieser Theorie und des No-Hair-Theorems für Schwarze Löcher. Die Wissenschaftler:innen fanden keine Verletzungen das Theorems oder Abweichungen von der allgemeinen Relativitätstheorie. Bislang ging man davon aus, dass diese Beobachtung erst mit der nächsten Generation von Gravitationswellen-Detektoren möglich sein würde. Die Ergebnisse wurden heute in Science veröffentlicht.

Wenn zwei Schwarze Löcher zusammenstoßen, senden sie in drei Phasen Gravitationswellen aus: wenn sie einander umrunden und sich nähern, wenn sie verschmelzen und wenn das neu entstandene, zunächst asymmetrische Schwarze Loch in seinen Endzustand übergeht. Die letzte Phase heißt „Ringdown“ (engl. für Abklingen) und besteht aus wenigen Sekundenbruchteilen andauernden Schwingungen des Schwarzen Lochs. Dieser Ringdown trägt nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie Informationen über die Masse und den Spin des entstandenen Schwarzen Lochs.
Ein Schwarzes Loch ähnelt einer Glocke
„Das Schwarze Loch ähnelt einer geläuteten Glocke mit einem Tonspektrum aus mehreren abklingenden Tönen, die Informationen über die Glocke tragen“, erklärt Collin Capano, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie“ am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover und korrespondierender Autor der heute in Science veröffentlichten Studie.
Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden des AEI Hannover analysierte öffentliche LIGO- und Virgo-Daten des Ereignisses GW190521, der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit der höchsten bisher beobachteten Gesamtmasse. Sie entdeckten einen Akkord aus zwei gedämpften Tönen (auch „quasi-normale Moden“ genannt) in den Gravitationswellen, die während der Ringdown-Phase des Ereignisses abgestrahlt wurden.
Erste Beobachtung mehrerer Moden im Ringdown eines Schwarzen Lochs
„Das ist das erste Mal, dass die Beobachtung mehrerer Moden – also der Nachweis von zwei Schwingungsfrequenzen eines verformten Schwarzen Lochs – gelungen ist. Es Bislang ging man davon aus, dass diese Beobachtung erst mit der nächsten Generation von Gravitationswellen-Detektoren möglich sein würde“, sagt Capano.
Die Forschenden führten eine agnostische Suche nach den Frequenzen durch, die im Ringdown von GW190521 vorhanden sind. Sie suchten nach einzelnen abklingenden Tönen und nahmen an, dass die Frequenzen der Moden und auch ihre Dämpfungszeiten vollkommen unabhängig voneinander sind. Sie identifizierten zwei Moden: Eine Grundmode bei einer Frequenz von 63 Hertz und eine subdominante bei 98 Hertz mit Dämpfungszeiten von 26 Millisekunden bzw. 30 Millisekunden. Diese Messungen stimmen mit numerisch-relativistischen Simulationen von kollidierenden Schwarzer Löcher überein.
GW190521 hat keine Haare
Das No-Hair-Theorem besagt, dass drei äußere Messgrößen Schwarze Löcher in der Allgemeinen Relativitätstheorie vollständig charakterisieren: ihre Masse, ihr Drehimpuls (Spin), sowie ihre elektrische Ladung, die für astrophysikalische Schwarze Löcher verschwindet. Es sind keine weiteren Informationen oder zusätzliche „Haare“ zur Beschreibung erforderlich. Die Frequenzen der Ringdown-Moden und ihre Dämpfungszeiten des in GW190521 entstandenen Schwarzen Lochs können also nur von Masse und Drehimpuls abhängen.
Numerische Simulation der Verschmelzung zwei schwerer Schwarzer Löcher (GW190521)
„Wir haben das No-Hair-Theorem für Schwarze Löcher getestet, indem wir die Frequenzen und die Dämpfungszeiten der beiden Moden verglichen haben, die wir im Ringdown von GW190521 gefunden haben“, sagt Julian Westerweck, Doktorand in der Abteilung „Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie“ am AEI Hannover und Mitautor der Veröffentlichung. „Erfreulicherweise hat GW190521 diesen Test bestanden und wir haben keine Anzeichen einer Physik Schwarzer Löcher gefunden, die über Einsteins allgemeine Relativitätstheorie hinausgeht.“
Das Forscherteam nahm an, dass die Frequenz und die Abklingzeit der fundamentalen Schwingungsmode des Schwarzen Lochs von seiner Masse und seinem Spin abhängen, wie es aus Einsteins Theorie folgt. Sie erlaubten dann, dass die Frequenz und die Abklingzeit der zweiten gefundenen Schwingungsmode von denen in der allgemeinen Relativitätstheorie erwarteten Werten abwichen. Sie überprüften, wie gut solche Abweichungen zu den Beobachtungen passen. Ihre Untersuchung zeigte, dass es keine solchen Abweichungen gibt und dass GW190521 mit der Einsteinschen Theorie übereinstimmt.
„Wir können nun auch zwei alternative Vorschläge über die etwas rätselhafte Natur von GW190521 beerdigen“, sagt Badri Krishnan, Gruppenleiter am AEI Hannover und Professor an der Radboud Universität. „Sowohl eine Frontalkollision exotischer Sterne als auch der Kollaps eines massereichen Sterns zu einem Schwarzen Loch mit einer massereichen Scheibe sind nun ausgeschlossen, da sie nicht mit dem beobachteten Abklingen mit mehreren Moden vereinbar sind.“