Wenn das Schwarze Loch zweifach klingelt

Beobachtung mehrerer Töne nach einer Verschmelzung Schwarzer Löcher

29. November 2023

Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover hat starke Hinweise auf mehrere Frequenzen in Gravitationswellen vom Abklingen einer Verschmelzung Schwarzer Löcher gefunden. Das Team entdeckte, dass das im Ereignis GW190521 entstandene mittelschwere Schwarze Loch nach der Verschmelzung kurzzeitig bei mindestens zwei Frequenzen vibrierte. Dieser sogenannte Ringdown ist eine fundamentale Vorhersage der allgemeinen Relativitätstheorie. Seine Beobachtung erlaubt Tests dieser Theorie und des No-Hair-Theorems für Schwarze Löcher. Die Wissenschaftler:innen fanden keine Verletzungen das Theorems oder Abweichungen von der allgemeinen Relativitätstheorie. Bislang ging man davon aus, dass diese Beobachtung mehrerer Töne erst mit der nächsten Generation von Gravitationswellen-Detektoren möglich sein würde. Das unerwartet massereiche in der Verschmelzung von GW190521 entstandene Schwarze Loch und die exzellenten Datenanalyse-Methoden ermöglichten jedoch den Nachweis. Die Ergebnisse wurden in Physical Review Letters veröffentlicht.

Wenn zwei Schwarze Löcher zusammenstoßen, senden sie in drei Phasen Gravitationswellen aus: wenn sie sich umrunden und einander nähern, wenn sie verschmelzen und wenn das neu entstandene, zunächst asymmetrische Schwarze Loch in seinen Endzustand übergeht. Die letzte Phase heißt „Ringdown“ (engl. für Abklingen) und besteht aus Schwingungen des Schwarzen Lochs, die nur wenige Sekundenbruchteile andauern. Dieser Ringdown trägt nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie Informationen über die Masse und die Rotation des entstandenen Schwarzen Lochs.

Glockenklang vom Schwarzen Loch

"Das Schwarze Loch ist vergleichbar mit einer Glocke, die läutet und ein Spektrum aus mehreren verblassenden Tönen erzeugt, die Informationen über die Glocke kodieren", erklärt Collin Capano, korrespondierender Autor der in Physical Review Letters veröffentlichten Studie und ehemaliger Forscher in der Abteilung Beobachtungsrelativität und Kosmologie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover.

Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden des AEI Hannover analysierte öffentliche LIGO- und Virgo-Daten des Ereignisses GW190521, der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit der einer der höchsten bisher beobachteten Gesamtmassen. Sie entdeckten einen Akkord aus zwei gedämpften Tönen (auch „quasi-normale Moden“ genannt) in den Gravitationswellen, die während der Ringdown-Phase des Ereignisses abgestrahlt wurden.

Abklingen bei zwei Frequenzen

„Diese Multimoden-Beobachtung – also der Nachweis von zwei unterschiedlichen Schwingungsfrequenzen eines verformente Schwarzen Lochs – ist eine willkommene Überraschung. Bislang ging man davon aus, dass dies erst mit der nächsten Generation von Gravitationswellen-Detektoren möglich sein würde", sagt Capano.

Die Forschenden führten eine agnostische Suche nach den Frequenzen im Ringdown von GW190521 durch. Sie suchten nach einzelnen abklingenden Tönen und nahmen an, dass die Frequenzen der Moden und auch ihre Abklingzeiten vollkommen unabhängig voneinander sind. Sie identifizierten zwei Moden: Eine Grundmode bei einer Frequenz von 63 Hertz und eine weitere bei 98 Hertz mit Dämpfungszeiten von 26 Millisekunden bzw. 30 Millisekunden. Diese Werte sind mit denen aus numerisch-relativistischen Simulationen von kollidierenden Schwarzer Löcher konsistent.

GW190521 hat keine Haare

Das No-Hair-Theorem besagt, dass in der allgemeinen Relativitätstheorie nur drei Messgrößen Schwarze Löcher vollständig charakterisieren: ihre Masse, ihr Drehimpuls (Spin), sowie ihre elektrische Ladung, die für astrophysikalische Schwarze Löcher vernachlässigbar ist. Es sind keine weiteren Informationen oder zusätzliche „Haare“ zur Beschreibung erforderlich. Die Frequenzen der Ringdown-Moden und ihre Dämpfungszeiten des in GW190521 entstandenen Schwarzen Lochs können also nur von Masse und Drehimpuls abhängen.

Numerische Simulation der Verschmelzung zwei schwerer Schwarzer Löcher (GW190521)

https://www.youtube.com/watch?v=zRmwtL6lvIM

„Wir haben das No-Hair-Theorem für Schwarze Löcher getestet, indem wir die Frequenzen und die Dämpfungszeiten der beiden Moden verglichen haben, die wir im Ringdown von GW190521 gefunden haben“, sagt Julian Westerweck, Mitautor der Veröffentlichung und ehemaliger Doktorand in der Abteilung „Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie“ am AEI Hannover. „GW190521 hat diesen Test bestanden und wir haben keine Anzeichen einer Physik Schwarzer Löcher gefunden, die über Einsteins allgemeine Relativitätstheorie hinausgeht. Es ist bemerkenswert, dass eine Theorie, die über hundert Jahre alt ist, immer noch so gut funktioniert.“

Das Forschungsteam nahm an, dass die Frequenz und die Abklingzeit der fundamentalen Schwingungsmode des Schwarzen Lochs von seiner Masse und seinem Spin abhängen, wie es aus Einsteins Theorie folgt. Sie erlaubten dann, dass die Frequenz und die Abklingzeit der zweiten gefundenen Schwingungsmode von denen in der allgemeinen Relativitätstheorie erwarteten Werten abwichen. Sie überprüften, wie gut solche Abweichungen zu den Beobachtungen passen. Ihre Untersuchung zeigte, dass es keine solchen Abweichungen gibt und dass GW190521 mit der Einsteinschen Theorie übereinstimmt.

Die Ergebnisse widerlegen außerdem zwei alternative Vorschläge über die etwas rätselhafte Natur von GW190521. Sowohl eine Frontalkollision exotischer Sterne als auch der Kollaps eines massereichen Sterns zu einem Schwarzen Loch mit einer massereichen Scheibe sind nun ausgeschlossen, da sie nicht mit dem beobachteten Abklingen mit mehreren Moden vereinbar sind.

„Vor mehr als 20 Jahren hatten wir solche Beobachtungen vorgeschlagen, um das Wesen von Schwarzen Löchern zu testen“, sagt Badri Krishnan, Koautor, Gastwissenschaftler und ehemaliger Mitarbeiter am AEI Hannover, heute Professor an der Radboud Universität. „Damals haben wir nicht geglaubt, dass die LIGO- und Virgo-Detektoren in der Lage sein würden, mehrere Frequenzen im Ringdown zu beobachten. Daher freuen mich diese Ergebnisse ganz besonders.“

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