Den Kosmos verstehen

Der schwedische Mathematiker Hans Ringström nutzt Preis der Humboldt-Stiftung für Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik.

30. Juli 2009

Ab August dieses Jahres wird Dr. Hans Ringström, einer der führenden Nachwuchswissenschaftler auf dem Gebiet der mathematischen Relativitätstheorie, für elf Monate am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Potsdam und an der Freien Universität Berlin forschen. Ermöglicht wird sein Aufenthalt von der Alexander von Humboldt-Stiftung, die ihm in Anerkennung seiner grundlegenden Arbeiten zum Urknall und zur Expansion des Weltalls einen Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis verliehen hat.

Die Forschung des 1972 in Stockholm geborenen Hans Ringström verbindet physikalische Fragestellungen mit genauer mathematischer Analyse: Er untersucht physikalische Modelle auf ihre mathematische Konsistenz. Das ist insbesondere wichtig für die Beschreibung kosmologischer Phänomene wie etwa den Urknall, die nicht direkt beobachtet werden können.

„Die Region Berlin-Potsdam ist genau der richtige Ort für meine wissenschaftliche Arbeit“, sagt Hans Ringström, der am Royal Institute of Technology (KTH) in Stockholm über mathematische Kosmologie forscht. „Hier treffe ich auf ein kreatives Umfeld, in dem ich sowohl mit Mathematikern als auch mit Physikern zusammenarbeiten kann. Ich freue mich, dass mir der Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung die Möglichkeit gibt, meine Kooperation mit dem Albert-Einstein-Institut und mit der Freien Universität Berlin zu vertiefen.“ Am AEI wird Hans Ringström eng mit Dr. Lars Andersson und Dr. Alan Rendall aus der Abteilung ‚Geometrische Analysis und Gravitation’ zusammenarbeiten.

Hintergrundinformationen

Einsteins Kosmos mathematisch betrachtet
Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Wechselwirkungen zwischen der Struktur der Raumzeit und Materie. Die Schlüsselidee der Allgemeinen Relativitätstheorie besteht darin, Gravitation nicht als Kraft zu betrachten, sondern als eine Eigenschaft der Geometrie von Raum und Zeit. Die Raumzeit ist dynamisch, wird durch die in ihr enthaltene Materie verzerrt und beeinflusst ihrerseits, wie sich die Materie bewegt. Die Einsteinsche Theorie wird in der Sprache von Geometrie und Analysis, insbesondere mit Hilfe von Differentialgeometrie und partiellen Differentialgleichungen formuliert. Hans Ringström untersucht diese ‚Feldgleichungen’ des Gravitationsfeldes und macht dann Aussagen über das Verhalten ihrer allgemeinen Lösungen. Seine Ergebnisse sind besonders bemerkenswert, weil sie sich nicht auf einige wenige Spezialfälle beschränken, sondern allgemeine Gültigkeit besitzen.

Dunkle Energie
Vor etwa zehn Jahren hat sich unser Bild vom Kosmos grundlegend verändert. Damals stellte sich heraus, dass sich das Weltall nicht nur ausdehnt, sondern dass diese Ausdehnung ständig schneller wird. Dies weist auf die Existenz einer abstoßenden Kraft hin, die das Universum beschleunigt auseinander treibt. Die Ursache dieser Kraft – die so genannte ‚Dunkle Energie’ – ist unbekannt und stellt eines der größten Rätsel der modernen Physik dar.

Hans Ringström untersuchte die Lösungen der Einsteinschen Gleichungen unter Berücksichtigung der Dunklen Energie und konnte zeigen, dass sich diese Lösungen auch im allgemeinen Fall genau so entwickeln, wie man es aus astronomischen Beobachtungen kennt: die Ausdehnungsgeschwindigkeit nimmt zu. Weil die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie so kompliziert sind, sind solche allgemein gültigen Aussagen sehr selten zu treffen und daher ein äußerst wichtiges Ergebnis.

Mathematik des Urknalls
Die wohl drastischste Konsequenz von Einsteins Beschreibung der Gravitation mit Hilfe gekrümmter Raumzeitgeometrie ist die Möglichkeit, dass Raum und Zeit „Löcher“ oder „Ränder“ aufweisen können: so genannte Raumzeitsingularitäten. Wenn Singularitäten auftreten, können z.B. Teilchen abrupt verschwinden oder genauso urplötzlich aus dem Nichts auftauchen. Eine verblüffende Vorhersage! Daher ist es wichtig, zu untersuchen, unter welchen Bedingungen das passiert, denn diese Aussage der Theorie wäre sehr beunruhigend, wenn sie auch für den „Normalfall“ gelten würde – also z.B. bei normalen Druck- und Temperaturverhältnissen. Hans Ringström konnte jedoch nachweisen, dass Singularitäten nur unter wirklich extremen Bedingungen vorkommen können. Es handelt sich dabei um ‚Krümmungssingularitäten’ – ein Zustand, bei dem die Krümmung der Raumzeit unendlich groß und die Gravitation unendlich stark wird. Solche extremen Bedingungen herrschten beispielsweise beim Urknall, der mit enorm hohen Energien und Dichten einherging.

Der Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung
Die Humboldt-Stiftung verleiht jährlich bis zu 25 Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreise an in ihrem Fachgebiet bereits international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Preisträger werden für ihre herausragenden Forschungsleistungen ausgezeichnet. Sie sind eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben in Deutschland in Kooperation mit Fachkollegen für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr durchzuführen. Der Preis ist mit 45.000 Euro dotiert.

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