Deutsche Spitzenforscher mit international prestigeträchtigen Xanthopoulos Award ausgezeichnet
Prof. Dr. Thomas Thiemann vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam-Golm und Dr. Martin Bojowald vom Institute for Gravitational Physics and Geometry der Pennsylvania State University in Philadelphia/USA sind mit dem international renommierten „Basilis Xanthopoulos Preis 2007“ ausgezeichnet worden. Die Ehrung erhielten sie gemeinsam für ihre bahnbrechenden und sich ergänzenden Beiträge zur Entwicklung einer Hintergrund-unabhängigen Quantengravitation im Rahmen der 18. International Conference on General Relativity and Gravitation in Sydney, Australien.
Thomas Thiemann
hat bedeutende und hoch fortschrittliche Vorleistungen zu den mathematischen Grundlagen und Formulierungen auf dem Gebiet der Schleifen-Quantengravitation entwickelt. Thiemann entdeckte die nach ihm benannten „Thiemann Identities“ und die Konstruktion kohärenter Stadien. Beide Ansätze haben die Lösungsmöglichkeiten zu einer wesentlichen Verbesserung einer konsistenten Interpretation des Hamiltonschen Prinzips und die Schleifen-Quantengravitation mit den Einsteinschen Gleichungen miteinander zu verbinden.
Thomas Thiemann forscht am Albert-Einstein-Institut in Potsdam-Golm in der Abteilung Quantengravitation und Vereinheitlichende Theorien. Er ist einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Schleifen-Quantengravitation (Loop Quantum Gravity), einem viel versprechenden Ansatz, die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik zu vereinen. Zentral hierbei ist der Begriff der Hintergrund-Unabhängigkeit (HU). Die HU ist eine fundamentale Eigenschaft der Einsteinschen Theorie: Die Raumzeit ist kein starres Gebilde, auf dem Materie propagiert, sondern eine dynamische Geometrie, die sich proportional zur vorhandenen Materie krümmt. Materie und Geometrie stehen in Wechselwirkung. Daraus ergibt sich, dass die nach klassischer Quantentheorie glatte Raumzeitstruktur nun granular, gequantelt wird . Die Singularitäten der klassischen Art werden möglicherweise vermieden mit weitreichenden Konsequenzen für die Kosmologie. Thiemanns Ergebnisse haben den Studien zur Hintergrund-unabhängigen Quantengravitation einen enormen Antrieb gegeben. Er ist daher ein würdiger Träger des Preises.
Martin Bojowald
hat völlig neue und tief greifende Fortschritte erzielt, die quantisierte Gravitation mit klassischen Gleichungen und konkreten physikalischen Phänomenen zu verbinden. Indem er aufzeigte, wie Vorstellungen von Symmetrie in die Theorie der Schleifen-Quantengravitation eingegliedert werden können, öffnete Bojowald ein Fenster zu einer neuen Herangehensweise zur Quanten-Kosmologie. Seine „Effektiven Gleichungen“, die eine halb-klassische Herangehensweise zu einer Schleifen-Quanten-Kosmologie darstellt, haben bereits zu verblüffenden Ergebnissen geführt, die Existenz kosmischer Singularitäten und einer frühen Inflation des Universums widerspricht. Seit 2006 forscht Martin Bojowald, der vorher ebenfalls am Albert-Einstein-Institut in Potsdam war, am Institute for Gravitational Physics and Geometry an der Penn State University in Philadelphia. Bojowalds Arbeit hat einen großen Stein auf dem neuen Gebiet der Quantenkosmologie ins rollen gebracht. Auch er ist damit ein würdiger Preisträger.
Der Basilis Xanthopoulos Preis
ist als Gedächtnispreis von der Stiftung für Forschung und Technologie – Griechenland (Foundation for Research and Technology – Hellas / FORTH) eingerichtet worden. Seit er 1991 erstmalig vergeben worden ist, wird der Preis alle drei Jahre während der General Relativity and Cosmology Conference verliehen. Die Preisträger werden vorgeschlagen und von einem Komitee gewählt. Sie müssen herausragende Forscher auf dem Gebiet der Gravitationsphysik und Kosmologie und dürfen nicht älter als 40 Jahre sein. Der Xanthopoulos Preis ist mit 10.000 US$ dotiert.
Bisherige Preisträger waren u.a. Eanna Flanagan, Gary Horowitz, Juan Maldecena and Carlo Rovelli.
Basilis Xanthopoulos
war griechischer Wissenschaftler auf dem Gebiet der theoretischen Physik, bekannt für seine Beiträge zur Allgemeinen Relativitätstheorie und seine Erkenntnisse zu kollidierenden Ebenenwellen. Geboren in Drama, studierte Xanthopoulos an der Universität Thessaloniki, Griechenland und der Universität von Chicago, USA. Dort forschte er auch gemeinsam mit dem Nobelpreisträger Subrahmanyan Chandrasekhar an kollidierenden Ebenenwellen, die seitdem nach Ihnen benannt sind. Er kehrte zurück an die Universität Thessaloniki, später Universität Kreta in Iraklion, an denen er als Professor lehrte und forschte bis er 1990 bei einem tragischen Mordanschlag das Leben verlor.
Hintergrund
Mit seiner Speziellen Relativitätstheorie legte Albert Einstein 1905 eine Theorie von Raum und Zeit vor, die nicht mit der Newton ́schen Beschreibung der Gravitation zusammenpasste. Erst 10 Jahre später gelang es ihm, die Gravitation einzubeziehen, indem er sie als Effekt der Krümmung von Raum und Zeit definierte - die bis dahin gültige Vorstellung, Raum und Zeit seien flach, wurde endgültig verworfen
Aber die Allgemeine Relativitätstheorie berücksichtigt keine Quanteneffekte. Diese werden erst bei unvorstellbar kleinen Abständen, also beispielsweise in starken Gravitationsfeldern, wie sie kurz nach dem Urknall existierten, oder im Zentrum Schwarzer Löcher wirksam. Nach wie vor besteht daher eine der größten Herausforderungen der theoretischen Physik daher darin, Quantentheorie und Allgemeine Relativitätstheorie zusammen zu bringen.
Viel versprechende Kandidaten dafür sind die LQG und die Stringtheorie.
Im Vergleich zur bekannteren Stringtheorie orientiert sich die LQG viel näher an Einsteins Theorien. Beispielsweise ist hier, wie oben beschrieben, die Geometrie von Raum und Zeit – also Längen, Flächen, Volumina etc. - selbst quantisiert und unterliegt damit der Heisenberg’schen Unschärferelation. In der Stringtheorie hingegen muss die Geometrie von Raum und Zeit vorgegeben werden. Dies steht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Einsteinschen Gleichungen, denen zufolge man die Geometrie nicht vorgeben kann. Sie muss stattdessen dynamisch in Abhängigkeit von der vorhandenen Materie bestimmt werden. Kurz: Die Materie krümmt den Raum, die Krümmung des Raums veranlasst die Materie zu beschleunigter Bewegung. Dieses als Hintergrundunabhängigkeit bekannte Prinzip gehört zu den wesentlichen Grundlagen der LQG. In der Stringtheorie hingegen wird dieses Prinzip verletzt. Hier orientiert man sich eher an den Prinzipien, die bei der Vereinheitlichung der drei anderen Naturkräfte zum Erfolg führten. Die Verfechter der LQG jedoch sind davon überzeugt, dass nur eine Hintergrundunabhängige Theorie den entscheidenden Durchbruch erbringen kann.
Weltweit arbeitet eine ständig wachsende Anzahl von Forschern an der LQG. Als Gründer dieser Theorie gelten Abhay Ashtekar, Jurek Lewandowski, Carlo Rovelli, Lee Smolin und Thomas Thiemann.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam-Golm ist eines der Institute weltweit, an denen sowohl im Bereich der LQG als auch der Stringtheorie prominent geforscht wird. Der Austausch zwischen beiden Richtungen wird gepflegt und findet in regelmäßigen Konferenzen seinen Ausdruck.