Der Sound kollidierender Schwarzer Löcher – und wie man ihn aus dem Lärm des Universums herausfiltern kann

Expertentreffen am AEI vom 6. bis 9. Juli 2009.

25. Juni 2009

Wissenschaftler aus aller Welt warten derzeit gespannt auf die erste direkte Messung von Gravitationswellen. Mit Hilfe der dann beginnenden Gravitationswellenastronomie wird man viel über die noch unbekannten 96 % des Universums erfahren: Man wird zum ersten Mal ins Universum lauschen, es also in einem neuartigen Frequenzspektrum beobachten können. Neben einer hochpräzisen Detektortechnologie sowie theoretischer und experimenteller Grundlagenforschung auf zahlreichen Gebieten sind zwei Arbeitsgebiete von besonderer Bedeutung, um die Klänge des Universums hören und verstehen zu können: die Numerische Relativitätstheorie und die Datenanalyse.

  • Die Numerische Relativitätstheorie ist erforderlich, um die zu erwartenden Gravitationswellensignale präzise vorherzusagen.
  • Im Rahmen der Gravitationswellenforschung werden neue Methoden zur Datenanalyse entwickelt, um die winzigen Gravitationswellensignale aus großen Datenmengen heraus zu filtern.

Während des Numerical Relativity and Data Analysis Meeting (NRDA) 2009 werden am Potsdamer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) vom 6. bis 9. Juli 2009 rund 80 internationale Wissenschaftler aus den Bereichen Numerische Relativitätstheorie und Datenanalyse die neuesten Entwicklungen auf beiden Gebieten diskutieren und ihre Zusammenarbeit intensivieren. Beispielsweise wird es um die Frage gehen, wie man den Sound von zwei kollidierenden Schwarzen Löchern zuverlässig aus dem Wirrwarr von Geräuschen im Universum herausfiltern kann.

Wir laden Sie zur Teilnahme an der Konferenz und zu Gesprächen mit den Wissenschaftlern herzlich ein und bitten um Anmeldung bei:
Susanne Milde, Tel.: 0331 – 583 93 54, E-Mail: milde@mildemarketing.de

Hintergrundinformationen

In den vergangenen Jahren wurden im Bereich der Numerischen Relativitätstheorie sowie der Datenanalyse wegweisende Fortschritte erzielt. Einerseits wurde die Vorhersage von Gravitationswellensignalen aus unterschiedlichen Quellen immer genauer, andererseits wurde die Analyse der immensen Datenmengen, die Gravitationswellenobservatorien hervorbringen, immer schneller und zuverlässiger. Jetzt ist es an der Zeit, die Informationen und Methoden beider Forschungsgebiete miteinander zu verknüpfen. Die AEI-Wissenschaftler gehören zu den weltweit führenden Forschungsgruppen auf beiden Gebieten:

Numerische Relativitätstheorie am AEI

Den Wissenschaftlern des Bereiches Numerische Relativitätstheorie unter der Leitung von Prof. Luciano Rezzolla gelang es beispielsweise,

  • die so genannten Blitzsignale, das sind Signale kollabierender Neutronensterne, erstmals vollständig zu berechnen und damit ein seit mehr als 40 Jahren diskutiertes Problem zu lösen – ein Meilenstein für den direkten Nachweis von Gravitationswellen.
  • die Kollision zweier Neutronensterne erstmals vollständig relativistisch zu simulieren. Sie fanden Antworten auf Fragen wie: Was passiert genau bei diesem Prozess, der am Ende ein Schwarzes Loch entstehen lässt? Wie viel Energie wird frei gesetzt? Entstehen auf diese Art und Weise die rätselhaften Gammastrahlen-Ausbrüche? 

Datenanalyse am AEI

Am AEI sind zwei Forschungsgruppen mit unterschiedlichen Aspekten der Datenanalyse beschäftigt: 

  • In der Gravitational Wave Analysis group (von Dr. Maria Alessandra Papa geleitet) geht es darum, die von den Gravitationswellendetektoren gelieferten Daten zu untersuchen und zu bewerten – unter anderem mit Hilfe des leistungsstarken Computerclusters Morgane. Insbesondere werden hier maßgeschneiderte Methoden für die Analyse der Daten entwickelt. Im Arbeitsbereich von Dr. Badri Krishnan wird daran gearbeitet, die Quellen von Gravitationswellen besser zu verstehen. Darüber hinaus beschäftigen sich die Wissenschaftler mit einer ganz zentralen astrophysikalischen Frage: Welche neuen Erkenntnisse wird die Beobachtung von Gravitationswellen mit sich bringen?
  • Die Wissenschaftler der Abteilung Experimentelle Relativität und Kosmologie am AEI-Standort in Hannover betreiben unter der Leitung von Prof. Bruce Allen den weltweit schnellsten und größten Computercluster, der hauptsächlich Daten von Gravitationswellendetektoren analysiert: ATLAS. Hier laufen alle Daten der derzeit in den USA (LIGO) und Europa (GEO600 und Virgo) messenden Observatorien zusammen. Mit ATLAS wird man voraussichtlich die erste direkte Messung von Gravitationswellen bestätigen können.

Die äußerst schwachen Gravitationswellensignale aus der Datenflut herauszufiltern, ist eine Aufgabe, an der Wissenschaftler aus aller Welt gemeinsam arbeiten. Sie haben sich zur „LIGO-Virgo Scientific Cooperation“ (LSC-V) zusammengeschlossen und einen vollständigen Austausch der aufgenommenen Daten vereinbart. Darüber hinaus werden alle wissenschaftlichen Ergebnisse gemeinsam veröffentlicht. Geleitet wird das LSC-V Konsortium von Dr. Maria Alessandra Papa vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).

Die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit der Datenanalyse wird im Rahmen so genannter „Mock data challenges“ oder auch Probeauswertungen getestet. Dabei werden simulierte Gravitationswellensignale in die Detektordaten eingeschleust. Bisher wurden diese künstlichen Signale zuverlässig gefunden.

Der ATLAS-Cluster ist die weltweit größte Ressource zur Analyse von Gravitationswellen. Er vereinigt etwa 1700 einzelne Rechner. Er ist unter der Federführung von Prof. Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, entstanden.

Der Nachweis von Gravitationswellen
Der direkte Nachweis der von Albert Einstein vorausgesagten Gravitationswellen – winzigen Verzerrungen der Raumzeit – gehört nach wie vor zu den wichtigsten offenen Fragen der modernen Wissenschaft. Ihre direkte Beobachtung wird die Ära der Gravitationswellenastronomie einläuten und vollkommen neue Einblicke in unser Universum ermöglichen. Mit Hilfe von Gravitationswellen wird man beispielsweise zurück bis in die erste Billionstel Sekunde des Universums sehen und viele Rätsel über die Entstehung des Universums lösen können. Bisherigen Beobachtungsmethoden blieben diese Einsichten verwehrt.

Die Beobachtung von Gravitationswellen hat, neben der Untermauerung der Allgemeinen Relativitätstheorie, weit reichende Auswirkungen: Erstmals wird es möglich sein, einen Blick in die „Kinderstube“ des Universums zu werfen. Die bisherigen Beobachtungen des Himmels beschränkten sich nämlich auf das elektromagnetische Spektrum (z.B. Radio- und Röntgenteleskope sowie Beobachtungen sichtbaren Lichtes). Die Informationen, die uns damit über die Entstehung des Universums zugänglich sind, reichen nur bis maximal 380.000 Jahren nach dem Urknall zurück. Weiter zurück liegende Zeiten bleiben der Beobachtung bislang verborgen, da das Universum erst zu diesem Zeitpunkt an transparent für elektromagnetische Strahlungen wurde. Die verschiedenen Theorien zum früheren Universum sind somit bislang experimentell unbestätigt. Die direkte Messung von Gravitationswellen eröffnet hier vollkommen neue Möglichkeiten, da nun vermutlich bis zum ersten Billionstel der ersten Sekunde die dem Urknall gefolgt ist, hineingehört werden kann. Mit der Gravitationswellenastronomie werden wir Zugang zu völlig neuen Wissenschaftsgebieten erhalten.

Status der derzeit laufenden Gravitationswellenobservatorien
Gegenwärtig arbeiten in Europa mehrere Gravitationswellendetektoren der ersten Generation: Das deutsch-britische Observatorium GEO600 wird, finanziert von STFC1, MPG2 sowie dem Land Niedersachsen, vom AEI in der Nähe von Hannover betrieben, das französisch-italienisch-niederländische Virgo-Projekt ist in Cascina bei Pisa angesiedelt. Die Daten dieser Messgeräte werden mit denen der drei amerikanischen LIGO-Interferometer zusammengeführt. Im gesamten Datenpool wird derzeit nach Gravitationswellensignalen aus astrophysikalischen Systemen gesucht.

Im Laufe des nächsten Jahrzehnts werden alle interferometrischen Gravitationswellendetektoren zu Instrumenten der zweiten Generation aufgerüstet. Die Empfindlichkeit von Virgo und LIGO in den tieferen Frequenzen (bis etwa ein Kilohertz) wird durch den Einsatz von Technologien, die unter anderem in Europa entwickelt wurden, etwa verzehnfacht. GEO600 wird insbesondere in der Breitband-Beobachtung von hohen Frequenzen Pionierarbeit leisten, auch hier durch die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien. GEO600 gilt als Think Tank der Gravitationswellenforschung.

Neutronensterne
gehören neben Schwarzen Löchern zu den faszinierendsten Objekten des Universums. Als Endergebnis der Sternenentwicklung und Überbleibsel einer Supernovaexplosion haben Neutronensterne eine etwas größere Masse als die Sonne (ca. 1,4 Sonnenmassen), die allerdings zu einer perfekten Kugel von der Größe einer kleinen Stadt mit einem Radius von 10–12 Kilometern zusammengepresst ist. Sie bestehen fast vollständig aus Kernmaterie, überwiegend aus Neutronen, die sich in mehrerlei Hinsicht extrem verhält. Beispielsweise ist ihre Dichte so hoch, dass ein Teelöffel Neutronensternmaterie so viel wie die gesamte Alpenkette wiegen würde. Gleichzeitig sind die Gravitationskräfte derart stark, dass die physikalischen Bedingungen sehr ähnlich denen in der Nähe eines Schwarzen Loches vergleichbarer Masse sind. Verständlicherweise können solche Bedingungen nicht in Laboratorien auf der Erde erzeugt werden; deswegen wissen wir bislang so wenig über diese interessanten Gebilde.

Die innere Struktur von Neutronensternen
Viele unserer Kenntnisse über Größe und Masse von Neutronensternen erhalten wir durch Satellitenbeobachtungen im Röntgen- und Gammastrahlenbereich. Die Messungen liefern uns auch Informationen über das Verhalten dieser kompakten Objekte in binären Systemen (so genannten Doppelsternsystemen), in denen sie Materie von ihrem Partnerstern abziehen. Da wir diese Informationen aus elektromagnetischen Signalen bekommen, erfahren wir jedoch nichts über die innere Struktur von Neutronensternen, sondern lediglich über ihre Oberfläche.

In der Zukunft werden jedoch elektromagnetische Signale nicht unsere einzigen Informationsquellen über Neutronensterne bleiben. Es ist bekannt, dass Doppelsternsysteme aus Neutronensternen Energie in Form von Gravitationswellen abgeben. Für die langjährige Beobachtung des Binärpulsars PSR 1913+16, bei der indirekt die Abstrahlung von Gravitationswellen nachgewiesen wurde, erhielten Russell A. Hulse und Joseph H. Taylor im Jahr 1993 den Nobelpreis für Physik. Solche Doppelsternsysteme gehören zu den stärksten Quellen von Gravitationswellen und sollten bereits mit den heutigen Detektoren messbar sein – vorausgesetzt, sie sind nahe genug. Gravitationswellen werden uns im Gegensatz zu elektromagnetischer Strahlung auch Aufschluss über das Innere von Neutronensternen geben. Das Gravitationswellensignal eines Neutronensterns kann ohne Übertreibung als der ‚Stein von Rosette‘ für die Entschlüsselung seines inneren Aufbaus bezeichnet werden.

Die Berechnung von Gravitationswellensignalen verschmelzender Neutronensterne
Abgesehen von den enormen experimentellen Schwierigkeiten, die die Messung der Gravitationswellensignale von Neutronensternen mit sich bringt, stellt auch die Berechnung dieser Signale eine große Herausforderung dar. Kennen wir jedoch die Signalformen, so steigen die Chancen für die Messung, denn dann können die Experimentalisten gezielt danach in ihren Daten suchen. Für die theoretische Vorhersage der Signale müssen allerdings Einsteins Gleichungen – ein System aus nichtlinearen, miteinander gekoppelten Differentialgleichungen – und die Gleichungen der relativistischen Hydrodynamik (diese beschreiben die Bewegung von Materie) auf riesigen Supercomputern numerisch gelöst werden.

Während der letzten Jahre hat die Arbeitsgruppe Numerische Relativitätstheorie am AEI die Codes für die Berechnungen solcher Wellenformen entwickelt, wobei sowohl binäre Systeme aus Schwarzen Löchern als auch solche aus Neutronensternen untersucht wurden.

Anmerkungen:

1 STFC: Science and Technology Facilities Council

2 MPG: Max-Planck-Gesellschaft

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