Gravitationswellen-Astronomie im Weltraum
Expert*innen für die Suche nach Gravitationswellen treffen sich vom 13. bis 15. Mai in Potsdam
LISA (Laserinterferometer Space Antenna) soll 2034 als Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA ins All starten. „Das LISA-Projekt entwickelt sich rasant, in den kommenden Jahren gilt es eine Reihe von Meilensteinen zu erreichen. Ein Meilenstein ist die sogenannte „mission adoption“, nach der die Industriepartner voll in die Entwicklung einsteigen. Bis dahin müssen sowohl die Instrumente als auch die Datenanalyse ausreichend weit entwickelt sein. Wissenschaftler*innen aus aller Welt arbeiten daher momentan mit Hochdruck daran, die erforderlichen theoretischen Werkzeuge sowie die Hard- und Software zu entwickeln“, erklärt Buonanno.
Die Forscher*innen des AEI Potsdam sind darauf spezialisiert, Wellenformen für Signale zu berechnen, die von verschiedenen Gravitationswellenquellen erzeugt werden. Dazu gehören beispielsweise zwei kollidierende extrem massereiche schwarze Löcher. Oder der Sturz eines schwarzen Lochs oder eines Neutronensterns in ein extrem massereiches schwarzes Loch. „Diese kosmischen Ereignisse hinterlassen Fingerabdrücke in Form von Gravitationswellen. Unser Hauptziel ist, die zu erwartende Wellenform sehr genau zu berechnen, also die erwarteten Fingerabdrücke genau zu modellieren. Je präziser wir die Wellenform beschreiben, desto mehr können wir später aus den gemessenen Daten über die Quelle der Gravitationswellen lernen, wenn LISA fliegt“, so Buonanno.
Mit LISA wird es möglich sein, Gravitationswellen aus vielen spannenden Quellen zu beobachten. Dazu gehören unter anderem:
- zwei verschmelzende extrem massereiche schwarze Löcher, die sich in den Zentren zweier kollidierender Galaxien befinden.
- Systeme, bei denen zwei Objekte von sehr unterschiedlicher Masse miteinander verschmelzen, sogenannte Extreme Mass Ratio Inspirals (EMRIs). Beispiel: ein kleineres schwarzes Loch oder ein Neutronenstern fällt in ein extrem massereiches schwarzes Loch.
- Tausende von kompakten Doppelsystemen in unserer eigenen Galaxie. Sie können aus Weißen Zwergen, Neutronensternen oder schwarzen Löchern bestehen.
- Zwei miteinander verschmelzende schwarze Löcher, die am Ende einer Sternenentwicklung entstanden sind. Solche Ereignisse wurden bereits mit den LIGO- und Virgo-Detektoren beobachtet. Mit LISA wird man den Prozess schon in einem sehr viel früheren Stadium beobachten können: etwa 1-100 Jahre vor der Verschmelzung.
- Signale kosmischer Strings (falls diese existieren)
- sogenannte Intermediate Mass Ratio Inspirals (IMRIs), bei denen ein Objekt von mittlerer Masse und ein Objekt von sehr großer Masse miteinander verschmelzen. Beispiel: ein schwarzes Loch mit 1000 Sonnenmassen verschmilzt mit einem extrem massereichen schwarzen Loch von Hunderttausenden oder mehreren zehn Millionen Sonnenmassen.
„Mit diesen neuen Quellen ergeben sich auch neue Herausforderungen für die Modellierung der zu erwartenden Wellenformen“, erklärt Maarten van der Meent, Wissenschaftler am AEI in Potsdam. „Typischerweise wird LISA Doppelsysteme verschmelzender schwarzer Löcher über Tausende von Umläufen beobachten. Dafür werden Wellenformmodelle gebraucht, die solche langen Zeiträume präzise abdecken. Einige dieser Systeme werden hundertmal lauter sein, als alles, was LIGO und Virgo bisher gemessen haben. Deshalb gilt es, noch genauere Modelle zu berechnen, mit denen die aufgenommenen Daten gezielt gefiltert werden können.“ Harald Pfeiffer, Gruppenleiter am AEI ergänzt: „Vor eine besondere Herausforderung stellen uns Systemen aus zwei Partnern mit sehr unterschiedlich großen Massen. Bei diesen EMRIs kann ein Partner bis zu eine Million mal so schwer sein wie der andere. Wir gehen davon aus, dass diese Partner sich nicht auf kreisförmigen, sondern auf elliptischen Bahnen umeinander bewegen. Das ist vollkommen anders als alles, was mit erdgebundenen Detektoren beobachtet wurde oder noch beobachtet werden wird. Deshalb sind hier ganz andere Modellierungsansätze erforderlich.“
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind theoretische, analytische und numerische Arbeiten erforderlich. Innerhalb des LISA-Konsortiums hat die Arbeitsgruppe Wellenformmodellierung die Aufgabe, sicherzustellen, dass die diese Herausforderungen vor dem Start von LISA angegangen und bewältigt werden. Die Arbeitsgruppe ist Schnittstelle zwischen dem LISA-Konsortium, das die Mission vorbereitet, und der größeren Gemeinschaft von Wissenschaftler*innen, die an der Gravitationsmodellierung arbeiten.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam verfügt über Expert*innen auf allen Gebieten der Modellierung von Gravitationswellen und wird eine führende Rolle in der Arbeitsgruppe spielen.
„Je genauer unsere Modelle sind, umso besser werden wir die von LISA gemessenen Signale verstehen können. Insbesondere müssen wir korrekt beschreiben, wie die Signale von den physikalischen Parametern des Systems abhängen. Und wir brauchen effiziente Möglichkeiten, diese Modelle zu bewerten. Es wird viele Jahre dauern, solche Modelle und die Datenanalyse dafür vollständig zu entwickeln. Deshalb muss die Arbeit jetzt beginnen. Das AEI wird bei dieser Entwicklung und der Nutzung von LISA-Daten eine Vorreiterrolle spielen.
Ziel unseres Treffens in Potsdam ist es, Expert*innen für die Modellierung von Gravitationswellenquellen, die Datenanalyse und die Instrumentierung zusammenzubringen, um die für eine erfolgreiche LISA-Mission erforderlichen Anforderungen an die Wellenformmodelle zu verstehen. Diese Anforderungen werden unsere Arbeit in den nächsten zwei Jahrzehnten bestimmen", erklärt Jonathan Gair, Gruppenleiter am AEI in Potsdam.