Erfolgreiche Forschung in der Hochenergiephysik
AEI-Wissenschaftler Niklas Beisert erhält prestigeträchtige Gribov-Medaille der European Physical Society
Für seine Beiträge zum besseren Verständnis einer vierdimensionalen Quantenfeldtheorie verleiht die European Physical Society (EPS) Dr. Niklas Beisert, Physiker am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam-Golm, die Gribov-Medaille. Prof. David J. Gross, Nobelpreisträger für Physik 2004, nannte Beiserts Forschungsergebnisse auf der jährlichen Stringtheorie-Konferenz 2007 in Madrid „die interessanteste und beeindruckendste Berechnung und Errungenschaft des letzten Jahres. Eine beachtliche Entwicklung, sehr elegant!“
Die Verleihung der Medaille fand am 23. Juli 2007 in Manchester im Rahmen der „2007 Europhysics Conference on High Energy Physics“ statt.
„Es ist eine große Ehre, diesen angesehenen Preis zu erhalten, und es motiviert mich sehr, weiter auf diesem Gebiet der Physik zu arbeiten. Den Erfolg schulde ich auch dem AEI, weil es mit seiner interdisziplinären Zusammenstellung hochkarätiger Wissenschaftler und Besucher eine ideale Umgebung für meine Arbeit darstellt,“ so Niklas Beisert.
Niklas Beisert, 29, kehrte im August 2006 von der Princeton University an das AEI zurück, wo er die selbstständige Nachwuchsgruppe „Dualität & Integrable Strukturen“ gründete. Beisert studierte von 1996 bis 2001 Physik in München und London. Zu seiner Promotion ging er ans AEI und erhielt 2004 den Doktorgrad von der Humboldt Universität zu Berlin. Von 2004 bis 2006 forschte und lehrte er als Assistant Professor an der Princeton University. Im Sommer 2006 kehrte er ans AEI zurück und führt nun eine unabhängige Gruppe, die von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert wird.
Dualität & Integrable Strukturen
In der Forschungsgruppe von Niklas Beisert konzentriert man sich auf die integrablen Strukturen (Strukturen, die ein Modell lösbar machen), die kürzlich in Eich- und Stringtheorien entdeckt wurden. Eich- und Stringtheorien bilden das Fundament der modernen theoretischen Teilchenphysik. Beide Theorien sind wahrscheinlich auf verborgene Weise miteinander verknüpft (dual). Bisher sind integrable Strukturen eher aus einem ganz anderen Gebiet, der Festkörperphysik, bekannt. Hier werden sie herangezogen, um den Magnetismus und die Supraleitung zu verstehen.
Eine wichtige Herausforderung der Teilchenphysik ist es, alle Aspekte von vierdimensionalen Eichtheorien zu verstehen, weil sie den Rahmen für das Standardmodell der Teilchenphysik bilden. Unmittelbare Berechnungen in diesen Modellen folgen einfachen und wohldefinierten Regeln, die von Prof. Richard Feynman aufgestellt wurden. Allerdings stellen diese ein enormes kombinatorisches und rechnerisches Problem dar. Mit der Entdeckung der Integrabilität in Eichtheorien hat sich in einigen Fällen die Lage in den vergangenen Jahren geändert: Wissenschaftler können nun Berechnungen des Energiespektrums effizient und mit hoher Genauigkeit anstellen – und damit die Äquivalenz zwischen Eich- und Stringtheorien zu überprüfen. Die Forschung in Niklas Beiserts Gruppe konzentriert sich auf die Untersuchung und Anwendung dieser integrablen Strukturen und wird darüber hinaus weiter die Verknüpfungen zwischen Teilchen- und Festkörperphysik studieren.
Die Gribov-Medaille
wird alle zwei Jahre von der EPS an einen jungen Physiker für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Teilchenphysik und/oder der Feldtheorie vergeben. Niklas Beisert wird in diesem Jahr „für seine Beiträge zu der Erforschung der Integrabilitätseigenschaften einer vierdimensionalen Quantenfeldtheorie, der N=4 supersymmetrischen Yang-Mills Theorie“ ausgezeichnet. Niklas Beisert ist der erste europäische und in Europa arbeitende Wissenschaftler, dem die Gribov-Medaille verliehen wird.
Preisträger 2001 – 2005:
2005: Matias Zaldarriaga, Harvard University
2003: Nima Arkani-Hamed, Harvard University
2001: Steven Gubser, Princeton University
Vladimir Naumovich Gribov
Der russische Wissenschaftler Vladimir Naumovich Gribov (1930 – 1997) war einer der führenden theoretischen Physiker seiner Zeit. Er machte wegweisende Beiträge zu vielen Gebieten, unter anderem zur Quanten-Elektrodynamik, Neutrinophysik, nicht-abelscher Feldtheorie und insbesondere zur Physik der Hadron-Wechselwirkungen bei hohen Energien. Er wurde mit einer Vielzahl von Mitgliedschaften und Preisen gewürdigt. Seine Kollegen und Studenten beschreiben ihn als eine außergewöhnlich warme und fröhliche Person, die großzügig ihre Ideen geteilt habe.
Gribov erhielt 1957 seinen Doktortitel in theoretischer Physik vom physikalisch-technischen Institut in Leningrad. Von 1962 bis 1980 hat er die Theorieabteilung des Teilchenphysik-Departments dieses Instituts geleitet, aus der 1971 das Leningrader Institut für Nuklearphysik hervorging. 1980 zog er nach Moskau, wo er die Leitung der Teilchenphysik-Abteilung des Landau-Instituts für theoretische Physik übernahm. Ab 1981 besuchte er regelmäßig das Forschungsinstitut für Teilchen- und Nuklearphysik in Budapest, wo er bis zu seinem Tode im Jahr 1997 als wissenschaftlicher Berater tätig war.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut)
Seit seiner Gründung im Jahr 1995 hat sich das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik zu einem international führenden Forschungszentrum entwickelt. Das Forschungsprogramm deckt das ganze Spektrum der Gravitationsphysik ab: Von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie bis zur Quantengravitation und Stringtheorie. Die Vereinigung dieser wichtigen Forschungsgebiete in einem Institut ist weltweit einzigartig:
- In der Abteilung „Quantengravitation und vereinheitlichte Theorien“ beschäftigten sich die Wissenschaftler des AEI mit der Vereinheitlichung beider fundamentaler Theorien der Physik – der allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik – zu einer Theorie der Quantengravitation.
- Die Abteilung „Astrophysikalische Relativitätstheorie“ hat sich auf Gravitationswellenforschung, Schwarze Löcher und numerische Lösungen der Einsteinschen Gleichungen spezialisiert.
- In der Abteilung „Geometrische Analysis und Gravitation“ werden die physikalischen Grundlagen und mathematischen Methoden der Einsteinschen Theorie von Raum und Zeit untersucht.
- Die Wissenschaftler der Abteilung „Laserinterferometrie und Gravitationswellen-Astronomie“ sind an der Entwicklung von erdgebundenen und Weltraumdetektoren zur direkten Messung von Gravitationswellen beteiligt und betreiben den deutsch-britischen Gravitationswellendetektor GEO600 in der Nähe von Hannover.
- Die neue Abteilung „Experimentelle Relativität und Kosmologie“ – eingerichtet zu Jahresanfang 2007 – wird die Hauptverantwortung am AEI für die Datenanalyse der erdgebundenen Gravitationswellen-Detektoren übernehmen und die Schnittstelle zwischen Daten und Theorie entwickeln. Derzeit gibt es am AEI zwei unabhängige Forschergruppen, von denen Niklas Beisert eine leitet.