Exzellenzcluster QUEST gestartet
Forschung am Quantenlimit beginnt
Heute, am 23. Mai 2008, hat der Hannoveraner Exzellenzcluster QUEST (Centre for Quantum Engineering and Space-Time-Research) offiziell seine Arbeit aufgenommen. In den vier Bereichen Quanten Engineering, Quantensensoren, Raum-Zeit-Forschung und Neuartige Technologien werden hier in den kommenden fünf Jahren rund 60 neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusätzlich zu den 190 bereits Mitarbeitern Forschung am Quantenlimit betreiben.
Bereich »Quanten-Engineering«
Die neuen Möglichkeiten der Manipulation von Licht und Materie, die mit dem Begriff »Quanten-Engineering« umschrieben werden, haben in den letzten Jahren die Atomphysik und Quantenoptik revolutioniert. Damit erschließt sich diesen Forschungsfeldern ein gänzlich neues Spektrum an Parameterbereichen: So wie man die kohärenten (zusammenhängenden) Lichtwellen des Laserlichts auch als Strom vieler Lichtteilchen bzw. Lichtquanten beschreiben kann, so zeigt ein Teilchenstrom extrem kalter Atome (durch Laserkühlung nahe an den absoluten Temperaturnullpunkt von ca. -273°C gekühlt) mit sinkender Temperatur immer dominanter den Charakter einer kohärenten Materiewelle.
In den Bereich des Denkbaren rücken hierdurch so genannte Atomlaser, die Materiewellen mit laserartigen Eigenschaften emittieren. Dies eröffnet der so genannten Atomoptik – wie der Laser in der Optik – in der Quantenoptik ein völlig neues Anwendungsspektrum sowohl in der fundamentalen Forschung wie auch in neuartigen technischen Anwendungen.
Quanten-Engineering bildet daher einen eigenen großen Forschungsbereich in QUEST. Dieses Feld bildet die Grundlage für die anderen Forschungsbereiche und Innovationen im Exzellenz-Cluster. Hierzu zählen etwa neuartige Quantensensoren, die nächste Generation optischer Atomuhren, bei denen das »Pendel« im Takt der Lichtfrequenz (circa 1015Hz) schwingt, Gravitationswellendetektoren der nächsten Generation oder neuartige Präzisionsmessgeräte für die Geodäsie.
In diesem Sinne bietet Quanten-Engineering eine Werkbank für neue Ideen, um die Forschung auf diesen Feldern voranzutreiben, ihre physikalischen Grenzen auszuloten und insbesondere neue, weit komplexere und gekoppelte Quantenphänomene zu untersuchen. Die experimentellen und theoretischen Methoden verschiedener Disziplinen werden hier zusammengeführt, um damit neue Kontrollmechanismen für Quantensysteme zu schaffen.
Bereich »Quantensensoren«
Diese Kontrolle ist die Voraussetzung für die Entwicklung von Quantensensoren der nächsten Generation. Im Bereich „Quantensensoren“ werden neue Gravitationswellendetektoren, optische Frequenznormale und Atomuhren sowie Inertialsensoren mit Licht- und Materiewellen entwickelt.
Die drei derzeit arbeitenden Gravitationswellenobservatorien LIGO (US), Virgo (ital.-frz.) und GEO600 (dt-brit.) sind die empfindlichsten Detektoren zur Messung von Längenunterschieden überhaupt: Die Längenänderung in den beiden Armen der Detektoren wird durch ein hochpräzises Laserinterferometer gemessen. In GEO600, dem Gravitationswellendetektor in Ruthe, südlich von Hannover, wird die Technik der nächsten Generation bereits getestet und eingesetzt.
Um hier noch weiter zu kommen, wird in QUEST bereits intensiv an neuen Lichtquellen gearbeitet, die eine besondere Form des Lichts - »gequetschtes Licht« - verwenden, um die lichtbasierten Rauschbeiträge unter das so genannte Quantenrauschlimit zu drücken. Aus diesem Forschungsbereich resultieren auch die notwendigen Entwicklungen für den weltraumbasierten Gravitationswellendetektor »LISA«, der unter der wissenschaftlichen Federführung des Albert-Einstein-Instituts Hannover konzipiert wird. Das Potenzial der Atomoptik verspricht Atomuhren mit solch unvorstellbaren Genauigkeiten, dass allein schon Durch die relativistische Rotverschiebung im Gravitationsfeld der Erde zwei Uhren, die sich in der Höhe über dem Labortisch nur um einen Zentimeter unterscheiden, messbar im Gang abweichen. Diese Forschungsarbeiten in QUEST gestatten hoch interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Geodäsie, die damit den Geoid (Potenzial der Erdschwere) mit Hilfe dieser extrem präzisen Atomuhren genau vermessen kann.
Andererseits werden in QUEST neue Atominterferometer konzipiert und gebaut, die als hochgenaue Inertialsensoren die besten »klassischen« Beschleunigungs- und Rotationssensoren bei weitem übertreffen werden. Diese Sensoren werden als weltraumtaugliche Sensoren z.B. den freien Fall verschiedener Massen – insbesondere auf Quantenniveau mit verschiedenen Elementen bzw. Isotopen – untersuchen, um damit das so genannte Äquivalenzprinzip immer genauer zu überprüfen. Dies könnte die ersten Hinweise für eine Theorie der unerforschten Quantengravitation liefern. Mit dem gleichen Ziel wird in QUEST versucht, die Konstanz der Naturkonstanten zu überprüfen, indem man höchstpräzise Atomuhren, die jeweils mit unterschiedlichen Isotopen als atomare Referenz betrieben werden, miteinander vergleicht.