LOOPS 05 – Physiker auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Physik
Was passiert, wenn Raum und Zeit ihre Gültigkeit verlieren?
Erstmalig findet die international bedeutendste LOOPS-Konferenz in Deutschland statt: LOOPS 05 vom 10. bis 14. Oktober 2005 am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam.
Eine der größten Herausforderungen der theoretischen Physik besteht darin, die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) und die Quantentheorie unter einen Hut zu bringen. Erst, wenn der scheinbar unüberwindbare Graben zwischen ihnen überbrückt werden kann, wird man verstehen, was „die Welt im Innersten zusammen hält“. Eine Quantentheorie der ART – kurz Quanten-gravitation – aufzustellen, wird deshalb von vielen Physikern als „Heiliger Gral“ der modernen Physik bezeichnet. Sollte es gelingen sie zu entwickeln, wird sie unser Verständnis der Natur revolutionieren.
Einen viel versprechenden Ansatz dafür liefert die so genannte Schleifenquantengravitation oder auch Loop Quantum Gravity (LQG). Ihr Name rührt daher, dass in dieser Theorie der Raum aus kleinsten Quanten, nämlich winzigen, verketteten und sich schneidenden Schleifen aufgebaut ist, die zeitlich vergehen und entstehen können. Nach der LQG ist beispielsweise der Raum, den ein DIN A4 Blatt Papier einnimmt aus ca. 100000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 dieser Schleifen aufgebaut (eine Eins mit 68 Nullen!). Die LQG kann als konsequente Weiterentwicklung der ART gesehen werden.
Hintergrund
Mit seiner Speziellen Relativitätstheorie legte Albert Einstein 1905 eine Theorie von Raum und Zeit vor, die nicht mit der Newton´schen Beschreibung der Gravitation zusammenpasste. Erst 10 Jahre später gelang es ihm, die Gravitation einzubeziehen, indem er sie als Effekt der Krümmung von Raum und Zeit definierte - die bis dahin gültige Vorstellung, Raum und Zeit seien flach, wurde endgültig verworfen.
Aber die Allgemeine Relativitätstheorie berücksichtigt keine Quanteneffekte. Diese werden erst bei unvorstellbar kleinen Abständen, also beispielsweise in starken Gravitationsfeldern, wie sie kurz nach dem Urknall existierten, oder im Zentrum Schwarzer Löcher wirksam. „Nach wie vor besteht daher eine der größten Herausforderungen der theoretischen Physik daher darin, Quantentheorie und Allgemeine Relativitätstheorie zusammen zu bringen“, so Prof. Dr. Hermann Nicolai, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik.
Viel versprechende Kandidaten dafür sind die LQG und die Stringtheorie
Im Vergleich zur bekannteren Stringtheorie orientiert sich die LQG viel näher an Einsteins Theorien. Beispielsweise ist hier, wie oben beschrieben, die Geometrie von Raum und Zeit – also Längen, Flächen, Volumina etc. - selbst quantisiert und unterliegt damit der Heisenberg’schen Unschärferelation. In der Stringtheorie hingegen muss die Geometrie von Raum und Zeit vorgegeben werden. Dies steht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Einsteinschen Gleichungen, denen zufolge man die Geometrie nicht vorgeben kann. Sie muss stattdessen dynamisch in Abhängigkeit von der vorhandenen Materie bestimmt werden. Kurz: Die Materie krümmt den Raum, die Krümmung des Raums veranlasst die Materie zu beschleunigter Bewegung. Dieses als Hintergrundabhängigkeit bekannte Prinzip gehört zu den wesentlichen Grundlagen der LQG. In der Stringtheorie hingegen wird dieses Prinzip verletzt. Hier orientiert man sich eher an den Prinzipien, die bei der Vereinheitlichung der drei anderen Naturkräfte zum Erfolg führten. Die Verfechter der LQG jedoch sind davon überzeugt, dass nur eine Hintergrundabhängige Theorie den entscheidenden Durchbruch erbringen kann.
Weltweit arbeitet eine ständig wachsende Anzahl von Forschern an der LQG und alternativen Hintergrundunabhängigen Zugängen zur Quantengravitation. Derzeit sind es rund 300. Etwa 150 von ihnen, darunter alle führenden Köpfe, kommen zur LOOPS 05 nach Potsdam.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Golm/Potsdam und das Perimeter Institute in Waterloo/Kanada sind weltweit diejenigen Institute, an denen sowohl im Bereich der LQG als auch der Stringtheorie prominent geforscht wird. Der Austausch zwischen beiden Richtungen wird gepflegt und fand unter anderem in der Konferenz „Strings meets Loops“, die im Jahr 2003 einiges Aufsehen erregt hat, seinen Ausdruck.
Die Suche nach einer umfassenden Theorie
Für den wissenschaftlichen Laien scheint sich die Physik mit scheinbar völlig verschiedenen Themen zu beschäftigen. Mechanik, Wärmelehre, Optik, Elektrizität, Magnetismus, Atomphysik und Kernphysik sind Beispiele dafür. Aber schon der britische Physiker Maxwell konnte 1873 elektrische, magnetische und optische Erscheinungen der Physik in einheitlicher Weise beschreiben.
Im 21. Jahrhundert besitzen wir nun mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und dem Standardmodell der Elementarteilchenphysik physikalische Theorien, die die Naturvorgänge über einen riesigen Bereich von Abständen - vom Durchmesser eines Protons bis zum Durchmesser des sichtbaren Universums – korrekt beschreiben. Und das mittels mathematischer Formeln, welche auf ein Blatt Papier passen!
Die Suche der Physiker nach einer umfassenden Theorie stößt jedoch bei dem Versuch, Gravitation bzw. Allgemeine Relativitätstheorie und Quantentheorie unter einen Hut zu bringen, auf eine harte mathematische Grenze. Zu ihrer Überwindung gibt es verschiedene Ansätze, von denen die Stringtheorie und die Schleifenquantengravitation/Loop Quantum Gravity die bekanntesten sind.
Die Suche der Physiker nach dieser Theorie rührt auch an die Metaphysik. Die Faszination, die dieser heilige Gral der Physik nicht nur auf Forscher ausübt, ist ungebrochen. Mit den enormen Größenbereichen, welche die Physik überspannt, stößt sie an die Grenzen dessen, was menschlicher Geist überhaupt noch erfassen kann.