LISA Pathfinder hebt ab
Bedeutender Schritt zum Gravitationswellen-Observatorium im All am 100-jährigen Jubiläum von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie
Heute Morgen startete die Satellitenmission LISA Pathfinder auf einer Vega-Rakete vom Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guyana). Sie soll Technologien zur Gravitationswellen-Beobachtung aus dem All testen. „Diese Mission ist ein großer Schritt hin zu einen Gravitationswellen-Detektor im All. 96% des Universums können wir nicht mit herkömmlichen astronomischen Methoden beobachten. Eine zukünftige Mission wie eLISA wird Gravitationswellen z.B. von extrem massereichen schwarzen Löchern empfangen und uns das gravitative Universum erschließen“, sagt Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am Albert-Einstein-Institut und Professor an der Leibniz Universität Hannover.
Der Start von LISA Pathfinder (LPF) fällt fast genau mit dem 100-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zusammen, die am 2. Dezember 1915 publiziert wurde. Die Theorie sagt die Existenz von Gravitationswellen voraus. Dies sind winzige Kräuselungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durchs All ausbreiten, doch bislang noch nie direkt beobachtet wurden.
LPF wird vollkommen neue Technologien testen, die zur Beobachtung von Gravitationswellen aus dem Weltraum erforderlich sind. Im Herzen des Satelliten steckt dazu ein Paar frei schwebender, identischer, 46 Millimeter messender Gold-Platin-Würfel im Abstand von 38 Zentimetern. Diese werden von allen externen und internen Störkräften abgeschirmt, so dass sie nur noch der Schwerkraft folgen.
„LISA Pathfinder wird diese Testmassen in den besten freien Fall bringen, der jemals hergestellt wurde und ihre gegenseitigen Positionen mit nie zuvor dagewesener Genauigkeit vermessen,“ sagt Karsten Danzmann, der auch der Co-Principal Investigator des LISA Pathfinder Technology Package – das wissenschaftliche Herz des Satelliten – ist. „Damit legen wir das Fundament für zukünftige Gravitationswellen-Observatorien im Weltraum wie eLISA.“
Start aus Kourou
Die Vega-Rakete hob um 5:04 Uhr MEZ ab. Rund sieben Minuten später, nach dem Ausbrennen und der Abtrennung der ersten drei Raketenstufen, wurde LPF durch eine erste Zündung der obersten Raktenstufe in eine niedrige Erdumlaufbahn gehoben. Eine weitere Triebwerkszündung erfolgte rund eine Stunde und vierzig Minuten nach dem Start der Rakete.
Der Satellit mit seinem Antriebsmodul trennte sich von der Oberstufe um 6:49 Uhr MEZ. Missionwissenschaftler- und ingenieure am europäischen Weltraumkontrollzentrum ESOC in Darmstadt übernahmen dann die Kontrolle der Mission.
LPF befindet sich nun in einer elliptischen Erdumlaufbahn mit einem erdnächsten Punkt rund 200 Kilometer über der Erdoberfläche und einem erdfernsten Punkt rund 1500 Kilometer über der Erdoberfläche. Vom 6. Dezember an beginnt dann eine Reihe von sechs Bahnkorrekturmanövern, die den erdfernsten Punkt der elliptischen Umlaufbahn innerhalb von fünf Tagen immer weiter anheben.
Auf dem Weg zum Lagrangepunkt
Schließlich wird LPF den Erdorbit vollständig verlassen und auf einer Transferbahn in Richtung des sogenannten Lagrangepunkts L1 driften – rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde in Richtung Sonne entfernt. LPF wird seine Arbeitsumgebung voraussichtlich rund 10 Wochen nach dem Start, am 13. Februar 2016 erreichen. Nach letzten Funktionsprüfungen wird die wissenschaftliche Messkampagne am 1. März 2016 beginnen.
Auf dem Weg in die finale Bahn um L1 werden die beiden Testmassen von Haltemechanismen freigegeben, die sie während des Starts und der Reise sichern. In der Bahn um L1 angekommen, werden die Massen nach dem Loslassen keinen mechanischen Kontakt mehr mit dem Satelliten haben.
Präzise Lasermessungen
Mittels Laserinterferometrie werden die Positionen und die Ausrichtung der beiden Testmassen relativ zum Satelliten und zueinander mit bisher unerreichter Genauigkeit von etwa zehn Pikometern (hundertmillionstel Millimeter) bestimmt. Dieses optische Präzisionsmesssystem wurde unter Federführung und mit maßgeblicher Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover entwickelt und gebaut.
„Die Technologie, die jetzt an Bord von LISA Pathfinder fliegt, ist das Ergebnis vom mehr als zehn Jahren wissenschaftlicher und technischer Entwicklung. Es ist sehr befriedigend, den Satelliten nun auf seinem Weg ins All zu sehen,” sagt Dr. Jens Reiche, der Nationale Projektmanager für LISA Pathfinder am Albert-Einstein-Institut in Hannover.
Datenauswertung in Hannover
Die wissenschaftliche Hauptmission von LISA Pathfinder beginnt am 1. März 2016 und wird mindestens sechs Monate dauern. “Der Satellit ist ein komplexes Weltraum-Laboratorium mit dem wir mehrere eng getaktete Experimentenreihen durchführen werden um den nahezu perfekten freien Fall zu vermessen“, sagt Dr. Martin Hewitson, verantwortlich für die Datenauswertungssoftware, die am Albert-Einstein-Institut in Hannover entwickelt wurde. Diese Experimente werden die nicht von der Schwerkraft stammenden Störbeschleunigungen bestimmen, wesentliche Störquellen identifizieren und falls erforderlich weiter minimieren.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover ist führend an der Entwicklung der Auswertungssoftware beteiligt, die eine zentrale Rolle beim Extrahieren der entscheidenden Information aus den Messdaten spielt. Dafür betreibt das Institut einen Kontrollraum in Hannover. Da eine unmittelbare Auswertung der Daten für die Konfiguration der Folgeuntersuchungen entscheidend ist, besetzen Forscher des Instituts außerdem rund um die Uhr Schichten im Darmstädter Kontrollzentrum der europäischen Weltraumagentur ESA.
LISA Pathfinder ist eine Mission der ESA. Daran beteiligt sind europäische Raumfahrtunternehmen unter der Systemverantwortung von Airbus DS, Forschungseinrichtungen aus Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, der Schweiz, und Großbritannien sowie die NASA.
LISA Pathfinder wird aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert.