Wie Neutronensterne verschmelzen - erste genaue Berechnung der letzten Bahnen von Doppelneutronensternen

AEI-Wissenschaftler beschrieben zum ersten Mal neue numerische Methoden zur Berechnung von Gravitationswellensignalen.

10. Januar 2011

Ein Artikel, der einen wichtigen Fortschritt bei der Modellierung der letzten Umlaufbahnen von Doppelneutronensternen beschreibt, wurde kürzlich in Physical Review Letters veröffentlicht.

Simulationen von sich umkreisenden Neutronensternen und Schwarzen Löchern geben Einblicke in die mögliche Struktur von Gravitationswellensignalen. Sie erhöhen signifikant die Wahrscheinlichkeit, Gravitationswellen in den Detektordaten zu identifizieren. Der Artikel konzentriert sich auf die letzten Bahnen vor der Verschmelzung von Doppelsternsystemen und deren experimentelle Beobachtung durch das Netzwerk der Gravitationswellendetektoren LIGO, GEO600 und Virgo, die in den kommenden Jahren erwartet wird. LIGO befindet sich in den Vereinigten Staaten, GEO600 ist der deutsch-britische Gravitationswellendetektor in Ruthe bei Hannover, der vom Albert-Einstein-Institut betrieben wird, und Virgo ist der französisch-italienische Detektor, der in Cascina bei Pisa installiert ist.

Mit Hilfe der Rechenleistung von Supercomputern und der Durchführung der ausgedehntesten und genauesten Berechnungen dieses Prozesses konnte ein Team von Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, den USA und Japan eine vereinfachte, aber analytische Beschreibung der Umkreisungsphase verbessern, in der die beiden Sterne zwar noch getrennt sind, ihre Umlaufbahn aber wegen der großen Emission von Gravitationswellen schrumpft. Die Verfeinerung der analytischen Beschreibung durch genaue numerische Berechnungen hat gezeigt, dass sie mit Erfolg auch für die Beschreibung von Objekten mit endlichen Dimensionen, wie Neutronensterne, verwendet werden kann und ihre Gültigkeit über den viel einfacheren Fall der binären Schwarzen Löcher hinaus erweitert. „Wir haben herausgefunden, wie man Korrekturen in vereinfachte Modelle von binären Neutronensternen einführen kann, so dass sie die Ergebnisse komplexer numerischer Simulationen reproduzieren können“, sagt Professor Luciano Rezzolla, Leiter der Gruppe für numerische Relativitätstheorie am Albert-Einstein-Institut/AEI in Potsdam. Dieser Durchbruch öffnet den Weg für eine Modellierung des Gravitationssignals, das von den letzten Bahnen eines Systems aus zwei Neutronensternen mit einer für den Nachweis ausreichenden Präzision ausgesendet wird, im großem Maßstab.

Ein Einblick in Neutronensterne

Darüber hinaus liefert die Arbeit wichtige Beweise dafür, dass der Nachweis dieser Art von Signal es erlaubt, das Verhältnis zwischen Masse und Radius von Neutronensternen zu messen. Diese Messung ist potentiell sehr wichtig, weil sie Zugang zu neuen Informationen über die Zustandsgleichung der ultra-dichten Kernmaterie, aus der Neutronensterne bestehen und die im wesentlichen unbekannt bleibt, geben wird.

Der Artikel ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen einem Team von numerischen und analytischen Theoretikern der Relativistischen Gravitation: Luca Baiotti (Universitäten Osaka, Japan), Thibault Damour (IHÉS, Frankreich), Bruno Giacomazzo (NASA Goddard, USA), Alessandro Nagar (IHÉS, Frankreich) und Luciano Rezzolla (Albert-Einstein-Institut, Deutschland).

Hintergrund-Informationen

Neutronensterne

Neutronensterne sind das Endstadium von massereichen Sternen, die als Supernova explodieren. Bei der Explosion kollabiert der Kern des Sterns zu einem kompakten Objekt mit etwa 1,4 Sonnenmassen, das hauptsächlich aus Kernmaterie, vorwiegend aus Neutronen, besteht.

Kosmische Kollisionen

Kollisionen astronomisch kompakter Objekte wie Schwarze Löcher und Neutronensterne gehören zu den gewaltigsten Ereignissen im Universum. Wissenschaftler der Gruppe für numerische Relativitätstheorie (Leiter: Professor Luciano Rezzolla) am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik simulieren Verschmelzungen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen, berechnen die bei diesen Ereignissen freigesetzte Energie und vergleichen sie mit der aus astronomischen Beobachtungen gewonnenen Energie. Darüber hinaus sind Schwarze Löcher und Neutronensterne aufgrund ihrer Kompaktheit und Masse die vielversprechendsten Quellen von Gravitationswellen.

Gravitationswellen-Astronomie

Gravitationswellen sind eine direkte Vorhersage von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und stellen Wellen im Gefüge von Raum und Zeit dar, die von großen und kompakten Massen erzeugt werden, wenn sie sich mit sehr großen Geschwindigkeiten bewegen. Wissenschaftler*innen auf der ganzen Welt warten gespannt auf den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen. Mit der Gravitationswellenastronomie werden wir die Möglichkeit haben, viel über die noch unbekannten 96% des Universums zu erfahren. Indem wir sie aufspüren, werden wir das Universum effektiv „hören“, d.h. es in einem Frequenzbereich beobachten, der sich sehr von dem unterscheidet, in dem wir routinemäßig astronomische elektromagnetische Informationen erhalten. Neben der Bewältigung der enormen experimentellen Schwierigkeiten, die mit dem Nachweis der Gravitationswellensignale verbunden sind, erfordert die Suche nach Gravitationswellen eine detaillierte Kenntnis der zu erwartenden Signale und hochmoderne Methoden zur Verwaltung riesiger Datenmengen.

In der Abteilung 'Astrophysikalische Relativitätstheorie' am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam-Golm unter der Leitung von Professor Bernard F. Schutz werden beide Forschungsgebiete in international führenden Arbeitsgruppen untersucht.

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