Erste Beobachtung der Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen

Entdeckung ist das erste kosmische Ereignis, das sowohl anhand von Gravitationswellen als auch von Licht beobachtet wird

16. Oktober 2017

Zum ersten Mal haben Astronom*innen die Gravitationswellen – Kräuselungen der Raumzeit – und das Licht von zwei verschmelzenden Neutronensternen beobachtet. Mit dem Ereignis vom 17. August 2017 um 14:41:04 MESZ beginnt die Multi-Messenger-Astronomie, die Beobachtungen mit Gravitationswellen und elektromagnetischer Strahlung kombiniert. Zusammen werden die sich ergänzenden Methoden unser Verständnis von extremen astrophysikalischen Ereignissen erheblich verbessern. Sie bieten eine nie zuvor dagewesene Gelegenheit, den Prozess des Verschmelzens von zwei Neutronensternen einschließlich des Ausgangs zu untersuchen. Forscher*innen vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam und Hannover und von der Leibniz Universität Hannover spielten eine zentrale Rolle bei der Entdeckung.

Stimmen der Foscher*innen

Dr. Christoph Affeldt: „Die ersten Beobachtungen von Gravitationswellensignalen, die ihren Ursprung in der Kollision von Schwarzen Löchern hatten, waren Beispiele dafür, wozu die Menschheit in der Lage ist, wenn Viele über Grenzen hinaus zusammenarbeiten.  An dieser neuen, wahrscheinlich noch bahnbrechenderen Entdeckung, hat eine noch größere Gruppe Anteil.  Ich empfinde dies nicht nur als große Stunde der Astronomie, sondern auch als weiteres Bespiel, in einer immer komplexer werdenden Welt, die Wichtigkeit von Teamarbeit zu betonen.“

Miriam Cabero Müller: „Die Kombination von Gravitationswellen- und elektromagnetischer Astronomie is ein großer Schritt zum Verständnis des Universums. Wir gewinnen nicht nur neue Einsichten in die Entstehung von Gammastrahlenblitzen und des Kilonova-Prozesses, sondern beginnen auch, mehr über Materie in ihrer kompakten Form wie in einem Neutronenstern zu lernen. Das sind sehr aufregende Entdeckungen für das Feld und ich kann kaum erwarten zu sehen, was die Zukunft bringen wird.“

Dr. Tim Dietrich: „Ich hatte nicht erwartet, dass wir ein Gravitationswellensignal von verschmelzenden Neutronensternen innerhalb der nächsten Jahre sehen würde. Daher wettete ich mit einem Kollegen, dass kein Doppelneutronenstern während des zweiten LIGO-Beobachtungslaufs nachgewiesen würde, der acht Tage nach GW170817 endete. Ich habe es um gerade eine Woche verpasst, war aber nie glücklicher über eine verlorene Wette. Die gemeinsame Messung von einem Gravitationswellensignal, einem Gammastrahlenblitz und einer Kilonova ist großzügiges Geschenk der Natur. Ich bin glücklich, dass meine pessimistischen Erwartungen sich als falsch herausgestellt haben.“

Dr. Ian Harry: „Es ist fantastisch, endlich die Verschmelzung von zwei Neutronensternen zu beobachten. Wir hatten nie zu hoffen gewagt, unsere erste Neutronensternverschmelzung so laut sein würde. Für uns ist die gleichzeitige Beobachtung eines Gammastrahlenblitzes und in vielen elektromagnetischen Wellenlängen eine wahrhaft bemerkenswerte Entdeckung. Ich fühle mich geehrt, ein Teil davon zu sein!“

Benjamin Lackey: „Drei Stunden bevor die erste Neutronensternverschmelzung (GW170817) nachgewiesen wurde, war ich auf einer Konferenz und hörte Leuten zu, die sagten wir würden  niemals ausreichend viele Ereignisse nachweisen, um sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Als ich einige Stunden später in Berlin aus dem Flugzeug stieg, sah ich eine E-Mail über den ersten Nachweis zusammen mit einem Gammastrahlenblitz, und wir wussten dass es bald hunderte E-Mails sein würden. Wissenschaft fühlt sich häufig so an, als würde sie sich langsam bewegen, aber gelegentlich kann sich ein ganzes Forschungsfeld in einem Tag ändern.“

Prof. Dr. Harald Pfeiffer: „Dies ist eine herausragende Entdeckung in vielerlei Hinsicht: Die erste Entdeckung von Gravitationswellen von Neutronensternen, die Bestätigung des Ursprungs von Gammastrahlenblitzen und die erste Identifizierung des Ursprungs einer Gravitationswelle mit traditionellen elektromagnetischen Teleskopen. Die Auswertung dieses Ereignisses wird noch viele Jahre lang wichtige Ergebnisse für das Verständnis des Universums liefern.“

Dr. Michael Pürrer: „Wir waren schon lange darauf vorbereitet, schnelle und präzise Modelle der Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen bereit zu haben, bei denen das Signal hunderte von Sekunden dauern kann. Diese Modelle sind entscheidend, um die Signale nachzuweisen und deren Parameter wie Massen, Drehungen und die kurzfristige Verformbarkeit der Neutronensterne zu bestimmen. Ich hatte erwartet, dass wir irgendwann ein Doppelsystem mit einem Neutronenstern finden würden, war dann aber sehr überrascht über das laute und klare Signal. Der Nachweis des elektromagnetischen Gegenstücks zur Gravitationswelle ist monumental!“

Dr. Vivien Raymond: „Obwohl ich nicht im Büro war als dieses sehr besondere Signal die Erde erreichte, geriet ich unmittelbar in den Sog der weltweiten Aufregung, in der tausende von Forschenden weltweit fieberhaft daran arbeiteten, dieses weit entfernte Objekt zu verstehen. Das wird eine der aufregendsten Zeiten meines (wissenschaftlichen) Lebens bleiben…“

Apl. Prof. Dr. Benno Willke: „Es macht mich sehr stolz, dass die Laser, die wir gebaut und in den Advanced-LIGO-Detektoren installiert haben, eine weitere großartige Entdeckung ermöglichten. Es ist wundervoll, dass das Albert-Einstein-Institut und das Laserzentrum Hannover eine so wichtige Rolle in dieser bahnbrechenden Epoche der Astronomie spielen.“

Dr. Sylvia Zhu: „Meine Expertise ist die hochenergetische Strahlung von Gammastrahlenblitzen, die die Fermi-GBM- und Fermi-LAT-Instrumente nachweisen und die Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen. Der gemeinsame Nachweis von einer Verschmelzung eines Doppelneutronensterns und eines Gammastrahlenblitzes ist etwas, auf das Gammastrahlenforschende seit Jahrzehnten warten. Es war unglaublich Teil eines solch historischen Ereignisses sowohl auf Seiten der Gravitationswellen als auch der elektromagnetischen Astronomie zu sein.“

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