An der Schwelle zur Gravitationswellenastronomie

Londoner Science Museum präsentiert Exponate aus der aktuellen Gravitationswellenforschung. Eröffnung der Ausstellung Cosmos & Culture am 23. Juli.

21. Juli 2009

Das AEI stellt dafür das Modell eines LISA-Satelliten in Originalgröße zur Verfügung.

Im Rahmen der Ausstellung Cosmos & Culture zeigt das Londoner Science Museum erstmals Exponate aus der aktuellen Gravitationswellenforschung und der damit verbundenen Technologieentwicklung. Zu sehen sein wird insbesondere das Modell eines LISA-Satelliten in Originalgröße, das vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) zur Verfügung gestellt wird. LISA steht für Laser Interferometer Space Antenna, das wohl aufregendste Projekt zur Messung von Gravitationswellen und eine der größten gemeinsamen Weltraummissionen von NASA und ESA. Das Weltraum-Observatorium wird aus einer Dreiecks-Formation von drei Satelliten bestehen, die durch fünf Millionen km lange Laserstrahlen miteinander verbunden sind und im Erdorbit die Sonne umkreisen. Starten soll LISA 2020. Bereits 2011 wird LISAs hochpräzise Technologie im All getestet: mit Hilfe der LISA-Pathfindermission unter Federführung der ESA.

„Für uns Wissenschaftler vom AEI ist es eine besondere Ehre, im London Science Museum einen Ausblick in die Zukunft zu geben. Das AEI hat dem renommierten Museum das 1:1-Modell eines LISA-Satelliten sehr gerne zur Verfügung gestellt“, so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am AEI und wissenschaftlicher Leiter der LISA-Mission von europäischer Seite.

Ausgestellt werden auch zentrale Elemente der erdgebundenen Gravitationswellenobservatorien, darunter:
Eine 25 cm große und 23 kg schwere Prototyp-Testmasse aus reinstem synthetischem Saphir, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der deutsch-britischen GEO-Kollaboration hergestellt wurde. Die Testmasse ist zentrales Element der Präzisionsmessungen mit einem Laserinterferometer. An ihr wird der Laserstrahl reflektiert, verstärkt und wieder zum Ausgangspunkt zurück gesendet. Sie „spürt“ die durchlaufende Gravitationswelle auf. Die extrem hochwertigen Testmassen werden am Institute for Gravitational Research (IGR) an der University of Glasgow in Schottland entwickelt. Von dort stammt auch der gezeigte Prototyp.

Außerdem wird der Prototyp einer Testmassen-Aufhängung gezeigt, wie sie in Kürze in der nächsten Generation der amerikanischen Gravitationswellendetektoren (Advanced LIGO) installiert wird. Die 2 m hohe mehrfache Pendel-Aufhängung wird erheblich dazu beitragen, LIGOs Messgenauigkeit zu erhöhen, denn sie entkoppelt die Testmasse deutlich besser als alle Vorgängermodelle von seismischen Störungen. Sie erlaubt also präzisere Messungen des Laserinterferometers. Unter Störungen verstehen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Zusammenhang selbst allerkleinste Erschütterungen, beispielsweise ein kilometerweit entfernt vorbei fahrendes Auto oder ein Erdbeben in Japan. Entwickelt wurde die mehrfache Pendelaufhängung am GEO600-Detektor unter der Federführung des Rutherford Appleton Laboratory.

Die Messung von Gravitationswellen – und mit ihr die Gravitationsphysik – ist einer der Eckpunkte der faszinierenden Sonderausstellung Cosmos & Culture des Londoner Science Museums. Sie beginnt am 23. Juli und dauert noch bis zum Jahresende 2010.

Hintergrundinformationen

Cosmos & Culture – Die Ausstellung
Seit der Steinzeit beobachten die Menschen die Sterne. Der Himmel war für die Menschheit Uhr und Kompass und immer auch eine Quelle der Wunder. Unser Verständnis des Universums hat sich seit den Anfängen immer wieder verändert, ebenso wie die Astronomie selbst, die als Wissenschaft begeistert und fasziniert. Die Sonderausstellung des Londoner Science Museum erzählt mit einer einzigartigen Sammlung die Geschichten von Menschen und Sternen. Cosmos & Culture schlägt den Bogen vom historischen Erbe der astronomischen Antike bis zu innovativen und wegbereitenden Technologien des 21.Jahrhunderts. Die Messung von Gravitationswellen ist in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung – und eine Quelle völlig neuer Erkenntnisse über Zeit und Raum.

Gravitationswellenastronomie
Schon heute können wir das Universum in vielen Wellenlängen beobachten: mit Hilfe von Teleskopen, das Weltall im optischen, infraroten, Gamma- oder auch Röntgen-Bereich untersuchen. Mit der Gravitationswellenastronomie werden wir zum ersten Mal ins Universum lauschen können - und vollkommen neue Einblicke erhalten. Wir werden kollidierende Schwarze Löcher und auch das Echo des Urknalls hören können – und viel über die Entwicklung unseres Universums lernen. Es gibt noch viel zu entdecken, denn noch immer sind 96 % des Universums unbekannt. Der direkte Nachweis von Gravitationswellen gehört also zu den spannendsten Aufgaben der modernen Physik. Gravitationswellen wurden 1916 von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Sie entstehen beispielsweise, wenn zwei Schwarze Löcher miteinander kollidieren. Diese winzigen Verzerrungen der Raumzeit werden wir bald tatsächlich hören können. Wie winzig Gravitationswellen sind, wird an einem Beispiel deutlich: Gravitationswellen einer Supernova- Explosion in einer Nachbargalaxie ändern die Länge einer 1 km langen Teststrecke auf der Erde nur um ein Tausendstel eines Protonendurchmessers und das auch nur für einige tausendstel Sekunden.

Gravitationswellenobservatorien auf der Erde – Technologie und Ausblick
Gegenwärtig arbeiten mehrere Gravitationswellendetektoren der ersten Generation: Der deutschbritische Gravitationswellendetektor GEO600 ist in der Nähe von Hannover angesiedelt und wird von Forschern des AEI sowie den britischen Universitäten Glasgow, Cardiff und Birmingham betrieben. Finanziert wird das GEO-Projekt von der Max-Planck-Gesellschaft sowie dem britischen Science and Technologies Facilities Council (STFC). GEO600 spielt in der Technologieentwicklung weltweit eine Vorreiterrolle und gilt als internationaler Think Tank der Gravitationswellenforschung. In Forschung, Technologieentwicklung und Datenauswertung arbeiten die GEO-Wissenschaftler eng mit ihren amerikanischen Kollegen vom LIGO-Projekt zusammen. Darüber hinaus sind das französischitalienisch- niederländische Virgo-Projekt, das japanische TAMA- und das australische AIGO-Projekt in die internationale Kooperation eingebunden.

Jedes der L-förmigen Interferometer nutzt einen Laser, dessen Licht in zwei Strahlen geteilt wird. Diese Laserstrahlen laufen in einer Vakuumröhre zwischen zwei Spiegeln immer hin und her. Mit Hilfe der Laserstrahlen wird die Entfernung zwischen den exakt positionierten Spiegeln gemessen. Durchquert eine Gravitationswelle den Detektor müsste sich nach Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie die Entfernung der Spiegel zueinander geringfügig ändern, wenn eine Gravitationswelle – eine Verformung der Raumzeit, die von massiven beschleunigten Objekten auf die Reise durchs Universum geschickt wird – den Detektor passiert. Das Interferometer ist so empfindlich, das es eine Längenänderung des Laserarms von weniger als einem Tausendstel des Durchmessers eines Atomkerns erkennen kann.

Im Laufe des nächsten Jahrzehnts werden alle derzeit arbeitenden interferometrischen Gravitationswellendetektoren, also GEO600, LIGO und Virgo, zu Instrumenten der zweiten Generation aufgerüstet.

LISA, das Gravitationswellenobservatorium im All
Ab etwa 2020 wird LISA die erdgebundenen Gravitationswellendetektoren ergänzen und noch tiefer ins Universum hören. LISAs enorme Empfindlichkeit wird genaueste Messungen und damit einen Blick weit zurück in die Geschichte unseres Universums ermöglichen, wie es mit keiner anderen Technologie möglich ist. Neben vielen anderen Ergebnissen wird LISA mit großer Präzision beobachten, wie Schwarze Löcher miteinander verschmelzen und größere Schwarze Löcher entstehen. Mit LISA werden Wissenschaftler außerdem schon vor einem Ereignis, wie der Verschmelzung von zwei superschweren schwarzen Löchern, ihren Kollegen an den optischen Teleskopen sagen können, in welche Richtung sie schauen müssen. LISA wird auch solche Ereignisse beobachten können, die weit in der Vergangenheit stattgefunden haben – bis hin zu den ersten dieser Art überhaupt.

Außerdem wird LISA die „Geschichte der Ausdehnungsgeschwindigkeit unseres Universums“ ermitteln können und ganz wesentlich dazu beitragen, die physikalischen Eigenschaften der mysteriösen „Dunklen Energie“ aufzuklären – sie treibt heute mit immer größerer Geschwindigkeit die Expansion des Universums voran. LISAs Möglichkeit die Ausdehnung des Universums zu messen, basiert auf einer Entdeckung von AEI-Direktor Bernard Schutz im Jahr 1986: Er wies nach, dass man aus den Gravitationssignalen von umeinander kreisenden Schwarzen Löchern exakt ihre Entfernung zu uns ableiten kann. Dies ist die zuverlässigste Entfernungsmessung, die Astronomen heute für so immens große Distanzen zur Verfügung steht.

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