Gravitationswellenformen jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie erforschen

Führende Expert:innen treffen sich vom 14. bis 16. Juni 2023 zum Workshop „Connecting the dots“ am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam.

8. Juni 2023

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie hat sich als äußerst erfolgreiches Instrument zur Erforschung des Universums bewährt. Lösungen der Einsteinschen Gleichungen beschreiben verschmelzende kompakte Doppelsysteme – Schwarze Löcher und/oder Neutronensterne – und ihre Gravitationswellensignale und ermöglichen ihr Verständnis. Obwohl bisher keine Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie beobachtet wurde, gibt es sowohl aus der Kosmologie als auch aus der Quantengravitation gute Argumente dafür, nach Alternativen Ausschau zu halten. Hauptthema dieses Workshops ist es, den Weg zu vollständigen und genauen Wellenformvorlagen von Doppelsystemen in Gravitationstheorien jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie zu ebnen. Der Workshop wird vom Gravity Theory Trust unterstützt.


Mit 90 entdeckten Gravitationswellensignalen seit 2015 und vielen weiteren, die während des kürzlich begonnenen Beobachtungslaufs O4 gemessen werden, hat sich die Gravitationswellen-Astronomie zu einer wertvollen Methode zur Beobachtung der dunklen Seite des Universums entwickelt. Astronom:innen können nun Schwarze Löcher in kompakten Doppelsystemen beobachten und immer mehr astrophysikalische und kosmologische Informationen aus den Daten gewinnen.

Um Ereignisse nachzuweisen und ihre Eigenschaften zu ermitteln, müssen der LIGO-Virgo-KAGRA-Kollaboration bzw. ihren Nachfolgern im nächsten Jahrzehnt (wie dem Einstein-Teleskop, dem Cosmic Explorer und LISA) genaue Wellenformvorlagen zur Verfügung gestellt werden. Bislang gibt es jedoch nur für die allgemeine Relativitätstheorie Bibliotheken mit solchen Wellenformvorlagen.

Trotz des Erfolgs von Einsteins Theorie gibt es gute Gründe, sie zu modifizieren, und zwar sowohl aufgrund von Beobachtungen in der Kosmologie (z. B. dunkle Energie und dunkle Materie) als auch aufgrund von theoretischen Fragestellungen in der Quantengravitation (z. B. fehlende quantenmechanische Beschreibung der Gravitation und das Paradox des Informationsverlusts). Gravitationswellenformen in modifizierten Gravitationstheorien zu berechnen ist jedoch eine besondere Herausforderung. Bisherige Studien liefern lediglich partielle Wellenformen, die entweder nur die frühe oder nur die späte Phase des gesamten Prozesses des Aufeinanderzufallens, der Verschmelzung und des Abklingens eines kompakten Doppelsystems abdecken.

Das Hauptaugenmerk dieses Workshops liegt darauf, „die Punkte zu verbinden“, also eine Verbindung herzustellen und den Weg zu vollständigen und genauen Wellenform-Vorlagen in Gravitationstheorien jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie zu ebnen. Dafür kommen Expert:innen auf diesem Gebiet zusammen, um Synergien zwischen ihren Forschungsansätzen zu identifizieren, neue Kooperationen zu schaffen und neuartige Ideen zu den folgenden Fragen zu entwickeln:

  • Welche modifizierten Gravitationstheorien sind am besten begründet?
  • Wo liegen die Grenzen der derzeitigen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie mittels Gravitationswellenbeobachtungen?
  • Was ist der Stand der Dinge bei der Modellierung des Aufeinanderzufallens, der Verschmelzung und des Abklingens jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie?
  • Wie lassen sich diese Entwicklungen zusammenführen, um vollständige Wellenformen jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie zu ermitteln?
  • Können wir die Gravitation mit solchen Wellenformen auf neue Weise testen, und gibt es neue Effekte jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie?
  • Was sind die Herausforderungen für den Nachweis einer Physik jenseits der allgemeinen Relativitätstheorie mit Detektoren der nächsten Generation?
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