Was Raum und Zeit bewegt

Gravitationswellenforschung in Deutschland wird weiter gestärkt: DFG verlängert Sonderforschungsbereich / Transregio „Gravitationswellenastronomie“. Mit acht Mio. Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft den SFB für weitere vier Jahre.

24. November 2010

Davon profitiert auch das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik: Für den Standort Potsdam-Golm sind 1,443 Mio Euro vorgesehen; darin enthalten sind dreieinhalb Postdoc-Stellen. Das Teilinstitut Hannover erhält gemeinsam mit dem Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover 1,784 Mio. Euro. Diese Summe beinhaltet fünf Doktorandenstellen und eine halbe Postdoc-Stelle. In Hannover betreiben die Forscher den Gravitationswellendetektor GEO600. Dafür entwickeln sie immer empfindlichere Messtechnologien, die weltweit zum Einsatz kommen. Mit dem Computercluster ATLAS analysieren die Wissenschaftler die Daten von GEO600 sowie den Detektoren LIGO (USA) und Virgo (Italien). In Potsdam entwickeln die Physiker Analyseverfahren für die Gravitationswellendaten, die das geplante Weltraumobservatorium LISA liefern wird und simulieren, wie Gravitationswellen beim Verschmelzen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen entstehen.

Gemeinsame Pressemitteilung der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Eberhard Karls Universität Tübingen, der Leibniz Universität Hannover und der Max-Planck-Institute für Gravitationsphysik sowie für Astrophysik

Jena (24.11.10) „Gravitationswellen gehören zur Gravitation wie Lichtwellen zum Elektromagnetismus.“ Das sagt Prof. Dr. Bernd Brügmann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Gravitationswellenastronomie mache da weiter, wo die Astronomie mit elektromagnetischen Wellen an ihre Grenzen stoße, erläutert der Inhaber des Lehrstuhls für Gravitationstheorie. „So tragen Gravitationswellen etwa Informationen über Schwarze Löcher, aus dem Innersten von Supernova- Explosionen oder gar vom Urknall, der Geburt unseres Universums.“ Allerdings sind sie extrem schwierig zu messen.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat dem Sonderforschungsbereich/Transregio 7 (SFB/TR7) „Gravitationswellenastronomie“ jetzt rund acht Millionen Euro bewilligt. „Damit kann der Forschungsverbund seine 2003 begonnene erfolgreiche Arbeit bis 2014 fortsetzen und unter anderem 30 Wissenschaftlerstellen finanzieren“, freut sich Prof. Brügmann, der Sprecher des Forschungsverbundes ist. Dem SFB/TR7 gehören Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Eberhard Karls Universität Tübingen, der Leibniz Universität Hannover und der Max- Planck-Institute für Gravitationsphysik in Hannover und Potsdam sowie für Astrophysik in Garching an. In den 17 Teilprojekten arbeiten insgesamt rund 80 Physiker, Astronomen und Mathematiker, die in den kommenden vier Jahren weiter „Jagd“ auf die Gravitationswellen machen werden. Der SFB/TR7 hat einen positiven Effekt für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Er ermöglicht die Clusterbildung, international renommierte Spitzenforscher an die beteiligten Universitäten und Institute zu holen und den Physikernachwuchs speziell in Gravitationsphysik und Relativistischer Astrophysik auszubilden.

Ziel des SFB/TR7 ist es, Gravitationswellen direkt zu messen und sie theoretisch und experimentell zu erforschen. „Diese Wellen sind Schwingungen von Raum und Zeit, die von gewaltigen kosmischen Ereignissen ausgelöst werden“, erläutert Prof. Dr. Kostas Kokkotas von der Eberhard Karls Universität Tübingen. Bereits 1916 von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, lassen sie sich bis heute nur indirekt nachweisen, etwa als Energieverluste von Objekten, die Gravitationswellen abstrahlen. „Neutronensterne, extrem kompakte Objekte, die am Ende der Entwicklung eines Sterns entstehen können, sind solche Objekte“, erklärt Prof. Kokkotas. „Neutronensterne sind sehr interessante Quellen für Gravitationsstrahlung, vor allem, wenn sie sehr schnell rotieren. Um ihre Strahlung nachzuweisen, muss man sehr genau wissen, wie diese Strahlung aussieht, und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wird. Dazu führen wir aufwändige Simulationsrechnungen durch.“

Dass es bisher noch nicht gelungen ist, Gravitationswellen direkt zu messen, liegt vor allem an der sehr geringen Intensität dieser Signale. Doch ein Durchbruch ist in Sicht: „Ab 2012 wird bei den großen amerikanischen Detektoren die besonders ausgefeilte Lasertechnik installiert, die wir u. a. auch am deutsch-britischen Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe bei Hannover auch im Rahmen des SFB/TR7 entwickelt haben. Ab 2015 werden diese Detektoren so empfindlich sein, dass der Nachweis dann innerhalb weniger Jahre gelingen müsste“, so Prof. Dr. Karsten Danzmann von der Leibniz Universität Hannover, die GEO600 betreibt. Danzmann ist auch Direktor am Max-Planck- Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover.

Für die nächste Generation der Detektoren haben die Wissenschaftler des SFB/TR7 neuartige optische Komponenten in bisher unerreichter Qualität entwickelt. Brügmann und seinen Kollegen ist es in den zurückliegenden ersten beiden Förderperioden des SFB/TR7 außerdem gelungen, die Bewegung zweier Schwarzer Löcher umeinander in ihrer dynamischsten Phase mit hoher Genauigkeit zu berechnen.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen des SFB/TR7 gibt es ein Projekt für Öffentlichkeitsarbeit, um die Arbeit an diesem komplexen Thema auch für Nichtwissenschaftler bekannt und zugänglich zu machen. Dafür werden öffentliche Veranstaltungen organisiert, eine mobile Ausstellung, das „Einstein-Wellen-Mobil“, besucht Institutionen wie Schulen oder Planetarien, und eine begleitende Webseite steht für Informationen zur Verfügung. Alle Aktivitäten in diesem Projekt wollen unterhalten und gleichzeitig wissenschaftliche Substanz vermitteln. Interessenten können sich dem Thema auf spielerische Weise nähern, finden aber immer auch ein Angebot an tiefer gehenden Erklärungen.

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