Der rauschärmste Laser der Welt
Forscher aus Hannover tricksen die Quantenphysik aus und ordnen die Lichtteilchen eines Laserstrahls gleichmäßig an
Einen Laserstrahl von besonderer Güte haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität Hannover hergestellt. Dabei haben die Physiker einen Weltrekord in der Kontrolle von Photonen oder Lichtteilchen aufgestellt: Es gelingt ihnen, diese Lichtteilchen in einem Laserstrahl präzise umzuordnen. Dabei senken sie die winzigen quantenmechanischen Intensitätsschwankungen des Lichts, die Physiker Photonenrauschen nennen, um einen Rekordwert von 90 Prozent. Mit diesem extrem rauscharmen Laserlicht lässt sich die Empfindlichkeit von Gravitationswellen- Detektoren drastisch erhöhen. Gequetschtes Licht könnte aber auch in der Quantenkryptographie, der abhörsicheren Verschlüsselung von Nachrichten, angewendet werden. (Physical Review Letters, 25. Januar 2008)
Licht ist nicht gleich Licht. Es gibt das normale Licht einer Glühbirne, Laserlicht – und gequetschtes Laserlicht, das besonders hochwertig ist: In einem Strahl gequetschten Lichts halten Physiker die Intensität, also die Zahl der Lichtquanten oder Photonen über eine bestimmte Zeit beinahe konstant. In einem normalen Lichtstrahl und selbst in einem herkömmlichen Laserstrahl sind diese Quanten zufällig verteilt. So fordert es in der Regel das Zufallsprinzip der Quantenphysik. Mal kommen viele als Gruppe an, mal kommen sie nur vereinzelt. Etwa so, wie bei einem Regenschauer mal mehr und mal weniger Tropfen auf die Erde prasseln. Diese Schwankung der Intensität, die Photonenrauschen heißt, stört bei besonders empfindlichen Messungen.
Physiker des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und der Leibniz Universität Hannover haben das Photonenrauschen nun auf ein Zehntel reduziert oder, wie es im Fachjargon heißt: gequetscht. Sie haben damit einen Weltrekord aufgestellt. Wenige Monate zuvor hatten sie bereits einen weiteren Weltrekord aufgestellt: Sie haben Lichtteilchen um bis zu eine halbe Sekunde, so lange wie noch nie zuvor, versetzt, um die sie gleichmäßig anzuordnen. „Das Zufallsprinzip der Quantenphysik wird dadurch nicht verletzt“, sagt Roman Schnabel, Juniorprofessor an der Leibniz Universität Hannover und am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. „Nach wie vor ist das Auftauchen der Photonen nicht vorhersagbar. Doch wir können sie so miteinander verknüpfen, dass sie regelmäßige Abstände annehmen.“ Diesen Effekt, bezeichnen Physiker als Verschränkung.
Empfindlichere Detektoren für Gravitationswellen
„Mit unserer Technik werden wir nun die Empfindlichkeit des Gravitationswellen-Detektors GEO600 deutlich erhöhen“, so Schnabel. Und sogar in die wesentlich größeren USamerikanischen LIGO Detektoren wird die Technik eingebaut. Mit den Detektoren spüren Wissenschaftler den Gravitationswellen nach, wofür sie besonders präzise messen müssen. Weiteres Anwendungspotenzial hat das gequetschte Licht in der optischen Datenübertragung. Mit ihm ließen sich Daten sicher verschlüsseln, weil ein Lauschangriff die regelmäßige Anordnung der Lichtteilchen zerstören würde und daher leicht aufzudecken wäre. „Bei der Anwendung in der Quantenkryptographie stehen wir jedoch noch ganz am Anfang“, so Schnabel.
Gewöhnlich fallen die Intensitätsschwankungen in einem Lichtstrahl nicht auf, weil jedes Lichtteilchen nur eine winzige Energie trägt. Physiker müssen schon sehr genau hinsehen, um sie zu bemerken. Genau das tun sie aber am Albert-Einstein-Institut. In ihrem Gravitationswellen- Detektor GEO600 bei Hannover setzen sie Laserstrahlen ein, um winzig kleine Entfernungsänderungen zu messen. Sie wollen damit Gravitationswellen aus dem Kosmos nachweisen. Diese Messungen sind so empfindlich, dass sich das Photonenrauschen des Laserlichts bei ihnen deutlich bemerkbar machen.
Kristall als Lichtspeicher
Alle derzeitigen Gravitationswellen-Detektoren verwenden infrarotes Laserlicht. Mit den extrem gleichmäßigen Laserstrahlen, die Roman Schnabel und seine Mitarbeiter jetzt herstellen können, lassen sich diese Detektoren enorm verbessern. „Dafür sortieren wir die Lichtquanten des Laserstrahls um und ordnen sie regelmäßiger an“, erklärt Roman Schnabel. Das gelingt ihnen mithilfe von doppelbrechenden, nicht-linearen Kristallen. Diesen beleuchten sie mit einem grünen Laserstrahl, der genau die halbe Wellenlänge des infraroten hat. „Erst dieser Laser präpariert den Kristall so, dass er das infrarote Licht quetscht“, sagt Roman Schnabel. Der grüne Laserstrahl polarisiert den Kristall, versetzt also die Elektronenhüllen der Kristallatome in Schwingungen – und zwar genau mit der Frequenz des grünen Lasers. In diesem Zustand kann der Kristall Photonen des infraroten Laserstrahls speichern. Und das tut er genau dann, wenn die Lichtteilchen des infraroten Lasers geballt auf den Kristall treffen. Wird der infrarote Photonenstrom wieder dünner, wird er mit dem im Kristall gespeicherten Licht aufgefüllt. So werden die Photonen gleichmäßiger angeordnet.
„Mit gequetschtem Laserlicht, wie wir es erzeugen, kann man die Reichweite von Gravitationswellen- Detektoren mehr als verdreifachen“ sagt Roman Schnabel. Damit ließen sich sogar Verschmelzungen von leichten Schwarzen Löchern am Rand des Universums beobachten. Mit anderen derzeitigen Messmethoden sei das nicht möglich. Ein Gravitationswellen- Detektor wie GEO600 bei Hannover besteht aus zwei rechtwinklig angeordneten Tunneln, in denen Laserstrahlen zwischen Spiegeln hin- und her laufen. Die Tunnel treffen an einer Stelle aufeinander. Dort überlagern sich die Strahlen, wobei ein Lichtmuster – ein so genanntes Interferenzmuster – entsteht.
Trifft eine Gravitationswelle aus dem Kosmos auf den Detektor, zieht sie die Tunnel ein klein wenig in die Länge oder staucht sie. Dadurch verändert sich die Laufstrecke der Laserstrahlen, so dass sie kurzzeitig ein anderes Interferenzmuster erzeugen. Empfindliche Messgeräte zeichnen das auf und erlauben es den Forschern so, durchlaufende Gravitationswellen zu erkennen – zumindest in der Theorie.
Lineal für den Bruchteil eines Atomradius
Praktisch ist es bisher nicht gelungen, Gravitationswellen direkt zu messen. Das Problem: Die zu messenden Änderungen sind winzig. Wenn eine Gravitationswelle auf den Detektor GEO600 trifft, verändert sie die Länge seiner Tunnel nur um ein zehn Billiardstel Millimeter – das ist eine Milliarde Mal kleiner als der Durchmesser eines Atoms. Um so winzige Strecken zu messen, müssen die Laserstrahlen, die das Interferenzmuster erzeugen, eine möglichst gleich bleibende Intensität besitzen. Denn jede Helligkeitsschwankung verändert das Überlagerungsmuster der Strahlen und täuscht damit eine durchlaufende Gravitationswelle vor.
Hier liegt der Vorteil von gequetschten Laserstrahlen: Weil sie eine extrem gleichmäßige Intensität haben, erzeugen sie ein sehr stabiles Interferenzmuster. Der Detektor wird dadurch empfindlicher, kann schwächere Wellen nachweisen und tiefer ins All lauschen. Gravitationswellen entstehen, wenn große Massen ihre Bewegung ändern – wenn etwa Schwarze Löcher umeinander wirbeln oder Neutronensterne vibrieren. Gelänge es, Gravitationswellen zu messen, könnten Astrophysiker Schwarze Löcher beobachten, in das Innere von Neutronen- Sternen schauen und mehr über die rätselhafte Dunkle Materie erfahren. Mit normalen Teleskopen sind solche dunklen Objekte nicht sichtbar.