Den Urknall und Schwarze Löcher beobachten
Pläne für ein revolutionäres neues Observatorium werden vorgestellt.
Wissenschaftler*innen präsentieren heute den Entwurf für das Einstein-Teleskop (ET) – Europas gemeinsamer Detektor der nächsten Generation, der das Universum im Gravitationswellenspektrum beobachten wird.
Ein neues Zeitalter für die Astronomie rückt näher: Die vom geplanten Einstein-Teleskop gemessenen Gravitationswellen - winzige Verzerrungen der Raum-Zeit, die durch kosmische Katastrophen wie verschmelzende Schwarze Löcher und kollabierende Sterne entstehen – werden es sogar ermöglichen, die ersten Momente nach dem Urknall zu erforschen. Dies ist mit heutigen astronomischen Methoden nicht möglich.
Das Einstein-Teleskop (ET) ist ein Gravitationswellen (GW)-Detektor der dritten Generation, und 100 mal empfindlicher als die existierenden Instrumente. Genau wie bei den ersten beiden Generationen von GW-Detektoren werden winzige Längenveränderungen (weit weniger als der Durchmesser eines Atomkerns) in zwei miteinander verbundenen, mehreren Kilometern langen Armen gemessen. Stauchen oder strecken vorbeiziehende Gravitationswellen die Arme der Instrumente und verursachen so Längenänderungen der Laserstrahlen in jedem Arm, kann dies an einem zentralen Fotodetektor als Interferenzmuster abgelesen werden.
Die erste, vor einigen Jahren gebaute Generation solcher interferometrischer Detektoren (GEO600, LIGO, Virgo und TAMA) funktionierte wie erwartet. Die Experimente arbeiteten äußerst zuverlässig und hochpräzise. Sie lieferte auch Informationen darüber, von welchen Quellen welche Gravitationswellenstrahlung zu erwarten ist. Die nächste Generation (Advanced LIGO und Advanced Virgo) wird derzeit gebaut und soll den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen liefern – zum Beispiel von zwei umeinander kreisenden Schwarzen Löchern oder von verschmelzenden Neutronensternen. Solch eine Entdeckung wird das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie einläuten. Trotzdem werden diese Detektoren noch nicht empfindlich genug sein, um die Gravitationsquellen ganz präzise untersuchen zu können.
“Wir haben uns daher entschlossen, Möglichkeiten für den Bau einer neuen Generation noch empfindlicherer Observatorien zu untersuchen. Nach dreijähriger Arbeit von mehr als 200 Wissenschaftlern aus Europa und aller Welt können wir nun die Entwurfsstudie für das Einstein- Teleskop vorlegen. Wir ebnen so den Weg zur Entdeckung bisher verborgener Bereiche des Universums“, so Dr. Harald Lück, stellvertretender wissenschaftlicher Koordinator der ET-Studie und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Hannover.
Die Studie, die am European Gravitational Observatory (EGO) in Pisa vorgestellt wird, informiert über die wissenschaftlichen Ziele von ET, die vorgesehene Bauart und Technologie des Detektors, sowie die geschätzten Bauzeiten und Kosten. ET wird außerordentlich empfindlich sein, weil es unterirdisch in einer Tiefe von 100-200 m gebaut werden soll. So können durch seismische Bewegungen verursachte Störungen und Messungenauigkeiten deutlich vermindert werden. ET wird deshalb auch bei niedrigen Frequenzen – zwischen 1 und 100 Hertz(Hz) – sehr empfindlich sein. Mit ET wird man das gesamte Spektrum der auf der Erde messbaren GW- Frequenzen beobachten können. „Mit einem derart empfindlichen Observatorium werden wir die Messung von Gravitationswellen routinemäßig als astronomische Methode einsetzen können. ET wird eine wissenschaftliche Revolution auslösen“, sagt Michele Punturo, wissenschaftlicher Koordinator der Studie.
Wichtiges Ziel der Wissenschaftler ist es auch, astronomische Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum (von Radio- bis Gammawellen), sowie von hochenergetischen Astroteilchen um Informationen aus dem Gravitationswellenspektrum zu ergänzen.
Ein Multi-Detektor
Die dem ET-Projekt zugrunde liegende Strategie ist, ein Observatorium mit mehr als einem GW- Detektor zu bauen und damit Einschränkungen der existierenden Instrumente zu überwinden. Deshalb soll ET aus drei verschachtelten Detektoren mit jeweils zwei Interferometern mit Armlängen von 10 km bestehen. Ein Interferometer wird dabei jeweils nach tieffrequenten Signalen (2-40 Hz) suchen, das andere nach der hochfrequenten Komponente. Die Konfiguration ist so gewählt, dass das Observatorium laufend weiter entwickelt werden kann. Zudem werden veraltete Komponenten durch dann zeitgemäße Technologien ersetzt werden können. Gleichzeitig erlaubt die vorgesehene Konfiguration, ET für verschiedene wissenschaftliche Ziele einzusetzen.
Die europäische Dimension
Die Europäische Kommission hat die Entwurfsstudie innerhalb des siebten Forschungsrahmenprogramms (7. RP) mit insgesamt drei Millionen Euro gefördert. „Die Europäische Kommission hat mit der Bereitstellung der Mittel für die Studie die Leistungen der Gravitationswellenforschung in Europa und ihre Bedeutung für grundlegende technologische Forschung gewürdigt. Sie stellt damit einen gemeinsamen Rahmen für alle Europäischen Wissenschaftler auf diesem Gebiet her und ermöglicht einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Erkundung des Universums mit völlig neuen Mitteln“, sagt Frederico Ferrini, EGO-Direktor und Projektkoordinator der Entwurfsstudie für das Einstein-Teleskop.
Das Einstein-Teleskop ist eines der so genannten „Glorreichen Sieben“ und damit eines der europäischen Projekte, die vom ASPERA-Netzwerk für die zukünftige Entwicklung der Astroteilchenphysik in Europa empfohlen werden. Das Einstein-Teleskop wäre eine wichtige Europäische Forschungsinfrastruktur und ein Eckstein des Europäischen Forschungsraums.
Expertenliste
Frankreich
Raffaele Flaminio
Benoit Mours
Deutschland
Karsten Danzmann
Harald Lück
Italien
Federico Ferrini
Michele Punturo
Fulvio Ricci
Niederlande
Jo van den Brand
Chris Van Den Broeck
David Rabeling
Großbritannien
Andreas Freise
Stefan Hild
Sheila Rowan
B. Sathyaprakash