An der Schwelle zu einer neuen Astronomie – Generationswechsel bei den Gravitationswellendetektoren: Fazit und Ausblick

 GEO600 horcht bis 2015 allein ins All

4. Februar 2011

Die Wissenschaftler*innen des Albert-­Einstein-­Instituts Hannover (Max-­Planck-­Institut für Gravitationsphysik und Leibniz Universität Hannover) sowie ihre britischen Kollegen beenden derzeit die erste Phase ihres großangelegten Experimentes GEO600. Seit mehr als zwei Jahrzehnten entwickeln und erproben die Physiker dort Technologien für Gravitationswellendetektoren. Jetzt ist das Ende der ersten Etappe auf der Jagd nach den Gravitationswellen erreicht: die Messinstrumente funktionieren in allen Observatorien des internationalen Netzwerks wie erwartet. Sowohl das deutsch-­britische GEO600-­Observatorium als auch die beiden LIGO-­Detektoren in den USA und das Virgo-­Experiment in Italien arbeiten äußerst zuverlässig und hochpräzise. Damit sind die Voraussetzungen für die nächste Generation von Gravitationswellenobservatorien geschaffen.

„Eine der wichtigsten Erfahrungen aus dem Betrieb der ersten Generation unserer Detektoren ist, dass die Technologie exakt so arbeitet, wie wir es erhofft und erwartet haben“, sagt Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am Albert-­Einstein-­Institut. „Unsere Systeme messen an den Grenzen des heute Möglichen. Trotzdem gab es keine störenden neuen physikalischen Effekte. Wir konnten zeigen, dass die zunächst nur für einen Prototypen entwickelten Technologien auch in einem mehr als 100mal größeren Experiment zuverlässig und kontrollierbar arbeiten. Außerdem konnten aufgrund der stetig verbesserten Messempfindlichkeit und der daraus resultierenden Daten einige theoretische Modelle der Astrophysik präzisiert werden. So können wir heute beispielsweise die Geometrie von Neutronensternen deutlich genauer bestimmen.“

Neue Technologien aus Hannover für das internationale Detektoren-­Netzwerk
Im internationalen Netzwerk der Gravitationswellenobservatorien spielt GEO600 eine zentrale Rolle als experimentelle Technologieschmiede: Hier wurden unter anderem zusammen mit dem Laser Zentrum Hannover erstmals neue, hochstabile Lichtquellen entwickelt und getestet. Nur sie ermöglichen die extrem präzisen Längenmessungen, die für die Detektion von Gravitationswellen nötig sind. Auch die anderen Observatorien übernehmen jetzt diese Technologien. Sie sind wesentliche Bestandteile der derzeitigen Umbauarbeiten zur zweiten Generation der Gravitationswellendetektoren. Innerhalb von GEO600 selbst wird weiter entwickelt, experimentiert, optimiert und: gemessen. Denn während LIGO und Virgo in eine mehrjährige Umbauphase gehen, nimmt das deutsch-­britische Observatorium weiter Daten auf und sucht damit zunächst allein weiter nach Gravitationswellen. Nur im Sommer 2011 ist noch einmal ein gemeinsamer Science Run mit Virgo geplant.

Datenanalysten sind zufrieden
Mit der ersten Phase der Technologieentwicklung geht auch eine wichtige Periode der wissenschaftlichen Datenaufzeichnung zu Ende. Nach insgesamt sechs gemeinsam von GEO600, LIGO und später auch Virgo durchgeführten Science Runs sind die Datenanalysten zufrieden. Unter der Leitung von Prof. Bruce Allen, Direktor am Albert-­Einstein-­Institut in Hannover, haben die Wissenschaftler*innen mit ATLAS einen der leistungsfähigsten Computercluster der Welt aufgebaut, Algorithmen zur Datenanalyse entwickelt und die riesigen Datenmengen des internationalen Detektornetzwerks nach Signalen von Gravitationswellen durchsucht. Sie konnten zeigen, dass sowohl die neu entwickelten Analysemethoden als auch die Computertechnologien für den nächsten großen Schritt bereit sind.

Auf dem Weg zu einer neuen Astronomie
Bis 2015 werten die Forscher alle Gravitationswellenobservatorien weltweit auf – vor allem mit Technologien, die zunächst für GEO600 entwickelt wurden. Diese Technologien werden Advanced LIGO und Advanced Virgo zu einer 10mal höheren Empfindlichkeit verhelfen. Die Gravitationswellenobservatorien der zweiten Generation werden zehn Mal weiter ins All hinaus horchen als zuvor. Das beobachtbare Volumen des Weltalls vergrößert sich damit um das Tausendfache. So nimmt auch die Zahl der potentiell detektierbaren Quellen deutlich zu und damit die Chance, Gravitationswellen direkt und regelmäßig zu messen. „Nach dem nun anlaufenden Upgrade der Detektoren mit neuen Laserquellen und verbesserten Aufhängungen der Spiegel erwarten wir, regelmäßig Gravitationswellen beobachten zu können. Wir gehen davon aus, einige Dutzend Ereignisse pro Jahr zu messen“, so Karsten Danzmann. „Die Umbau-­ und Tuningarbeiten an den Detektoren sind noch eine ganz schöne Herausforderung – aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind wir sehr zuversichtlich“, so Danzmann weiter.

Da in GEO600 einige der für die zweite Generation entwickelten Messtechnologien bereits eingesetzt werden, kann hier weiter gemessen werden. Weitere Verbesserungen der Messinstrumente werden in den kommenden Monaten schrittweise quasi im laufenden Betrieb vorgenommen. So werden nach dem gemeinsamen Science Run mit Virgo im Sommer 2011 als nächstes in GEO600 neue Spiegel installiert.

Mit den Detektoren der zweiten Generation wollen die Wissenschaftler*innen den Beginn der Gravitationswellen-­Astronomie einläuten. Ziel ist es, das Universum dann dauerhaft im Gravitationswellenspektrum zu beobachten und neue Erkenntnisse über die noch unbekannten 96% unseres Universums zu gewinnen, die für die herkömmlichen, auf elektromagnetischer Strahlung basierenden astronomischen Methoden nicht zugänglich sind. Der bekannten „Astronomie des Sehens“ wird eine „Astronomie des Hörens“ zur Seite gestellt.

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