Startschuss für ein neues Einstein@Home-Projekt: Ab sofort durchsuchen tausende von Heimcomputern die Daten des Arecibo-Radioteleskops nach Radiopulsaren

Einstein@Home ist mit mehr als 200.000 Teilnehmern eines der weltweit größten Projekte zum verteilten Rechnen. Einstein@Home-Teilnehmer stellten bisher die Rechenkapazität ihres PCs für die Suche nach den Gravitationswellensignalen unentdeckter Pulsare zur Verfügung.

24. März 2009

Gesucht: Radiopulsare 

Unter Verwendung neuer, am AEI entwickelter Methoden, wird Einstein@Home die Arecibo- Radiodaten nach Doppelsternsystemen durchsuchen. Dabei handelt es sich um die extremsten Objekte des Universums: sich rasend schnell drehende Neutronensterne, die entweder einen weiteren Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch umkreisen. Die bislang angewendeten Methoden der Datenanalyse sind für Umlaufzeiten unter 50 Minuten nicht empfindlich genug. Die enormen Rechenkapazitäten von Einstein@Home hingegen, die Zehntausenden von Computern entsprechen, erlauben den Nachweis von Pulsaren in Doppelsternsystemen mit Umlaufzeiten von bis zu elf Minuten.

„Die Entdeckung eines Pulsars, der einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch mit einer Umlaufzeit unter einer Stunde umkreist, wäre eine außerordentliche Chance, die Allgemeine Relativitätstheorie zu testen“, sagt Cordes. „Außerdem könnten wir abschätzen, wie häufig diese Doppelsternsysteme verschmelzen.“ Die Verschmelzung solcher Doppelsternsysteme gehört zu den seltensten und spektakulärsten Ereignissen im Universum. Sie strahlen explosionsartig Gravitationswellen aus, welche die derzeit betriebenen Detektoren messen könnten. Vermutlich kommt es auch noch zu einem Gammastrahlenausbruch kurz bevor die verschmolzenen Sterne zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen. „Die Rechenleistung von Einstein@Home bildet eine perfekte Ergänzung zu den Datenmanagementsystemen am Cornell Center for Advanced Computing und den anderen in PALFA organisierten Institutionen“, so Cordes.

„Unser langfristiges Ziel ist der Nachweis von Gravitationswellen, aber kurzfristig hoffen wir zumindest einige neue Radiopulsare pro Jahr zu entdecken. Das wäre eine große Freude für die Einstein@Home- Teilnehmer und natürlich äußerst interessant für Astronomen. Wir gehen davon aus, dass die Teilnehmer gerne nach beiden Phänomenen fahnden werden“, erläutert Allen. Die Einstein@Home- Teilnehmer werden automatisch Datensätze sowohl für die Suche nach Radiopulsaren als auch nach Gravitationswellen erhalten.

Die großen Datenmengen der Arecibo-Messungen werden an der Cornell University und anderen PALFA-Institutionen gespeichert und verarbeitet. Für das Einstein@Home-Projekt werden die Daten dann über Breitband-Internetverbindungen an das Albert-Einstein-Institut Hannover geschickt. Dort werden die Daten vorbereitet und anschließend auf die Computer rund um die Welt verteilt. Die Ergebnisse werden dann zurück ans AEI, die Cornell University und die University of Wisconsin- Milwaukee geschickt und weiter untersucht.

Hintergrundinformationen

Gravitationswellen folgen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie und wurden erstmals 1916 von Einstein vorhergesagt, konnten jedoch bisher noch nicht direkt nachgewiesen werden. In den vergangenen vier Jahren hat Einstein@Home in den Daten der amerikanischen LIGO-Detektoren nach Gravitationswellen gesucht.

Radiopulsare, von denen die ersten in den 1960er Jahren entdeckt wurden, sind schnell rotierende Neutronensterne, die wie ein Leuchtturm einen gebündelten Strahl aus Radiowellen aussenden, der die Erde bis zu 600 Mal pro Sekunde streift. Radiopulsare in Doppelsternsystemen mit einer kurzen Umlaufdauer sind besonders interessant, da die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie dort sehr stark sein können. Anhand der bereits entdeckten Systeme dieser Art konnte gezeigt werden, dass Einsteins Vorhersagen über die Aussendung von Gravitationswellen bis auf weniger als 1% Abweichung korrekt sind.

Die Entdeckung neuer Pulsare in Doppelsternsystemen mit sehr viel kürzerer Umlaufdauer würde zu verbesserten Schätzungen der Rate führen, mit der Doppelsternsysteme in unserer Galaxie entstehen und vergehen. Sie wären zudem neue Ziele für die Detektoren auf der Suche nach Gravitationswellen.

Das Arecibo-Observatorium ist das größte Radioteleskop der Welt mit nur einem einzigen Reflektor. Es wird zur Beobachtung von Pulsaren, Galaxien, Objekten im Sonnensystem und der Erdatmosphäre genutzt. Der erste Doppelpulsar wurde 1974 in Arecibo entdeckt und brachte Hulse und Taylor im Jahr 1993 den Nobelpreis für Physik für ihren Test der Allgemeinen Relativitätstheorie ein. Die neue Pulsarstudie, die vom PALFA-Konsortium durchgeführt wird, nutzt eine spezielle Radio-Kamera, das Arecibo L-band Feed Array.

Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) ist das weltweit größte Forschungsinstitut, das sich mit der Erforschung der allgemeinen Relativitätstheorie befasst. An den zwei Institutsteilen in Potsdam und Hannover wird auf den Gebieten Astrophysik, theoretische Physik, Mathematik und Experimentalphysik geforscht. Das AEI betreibt außerdem den Gravitationswellendetektor GEO600 in der Nähe von Hannover, ist ein Partner im amerikanischen LIGO-Projekt und spielt eine wichtige Rolle bei der Analyse der Daten aller existierenden Gravitationswellendetektoren, einschließlich des Virgo-Detektors in Italien. Die Software, die bei der Einstein@Home-Suche nach Radiopulsaren verwendet wird, wurde am AEI Hannover entwickelt.

Die University of Wisconsin-Milwaukee (UWM) stellt den Server für das Einstein@Home-Projekt und spielt eine wichtige Rolle bei den Aktivitäten der LIGO Scientific Collaboration zur Datenanalyse. Die UWM führt außerdem von Wisconsin aus Radiobeobachtungen in Arecibo durch, als Arecibo Remote Control Center (ARCC).

Finanzierung
Die U.S. National Science Foundation unterstützt diese Arbeit durch die Förderung des Einstein@Home-Projekts, des PALFA-Projekts, des BOINC-Projekts an der University of California in Berkeley sowie durch ein Partnerschaftsabkommen mit der Cornell University über den Betrieb des Arecibo-Observatoriums. Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) wird von der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften finanziert und kooperiert eng mit der Leibniz Universität Hannover.

Das Einstein@Home-Projekt, das im Jahr 2005 gestartet wurde, ist eine Initiative der LIGO Scientific Collaboration und wurde ursprünglich an UWM und AEI entwickelt. Einstein@Home nutzt die Berkeley Open Infrastructure for Network Computing (BOINC), die an der University of California im Berkeley’s Space Sciences Laboratory entwickelt wurde.

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