High-Tech zur Vermessung der Welt: Mittel bereitgestellt

Klimasatellit GRACE Follow-on startet 2017 mit neuer Technologie ins All

17. Juni 2013

Veränderungen im Schwerefeld der Erde können künftig wesentlich präziser vermessen werden. Der internationalen Erdsystem- und Klimaforschung stehen dann, vom globalen bis hin zum regionalen Maßstab, neue Informationen für die Erforschung des Klimawandels zur Verfügung. Die Mittel für die deutsche Beteiligung an der deutsch-amerikanischen Satellitenmission GRACE Follow-on wurden jetzt bereitgestellt.

Eine im Rahmen der Gravitationswellenforschung entwickelte hoch präzise Messtechnologie wird jetzt auch in der Erdsystem- und Klimaforschung eingesetzt: Das so genannte Laser Ranging Interferometer (LRI) wird es ab 2017 ermöglichen, Massenflüsse im Erdsystem – dazu gehören beispielsweise abschmelzende Eispanzer oder Veränderungen im kontinentalen Wasserkreislauf – mit einer nie da gewesenen Präzision zu erfassen. Die Technologie wird ein wichtiger Bestandteil der neuen deutsch-amerikanischen Mission GRACE Follow-on (GRACE-FO) sein. Sie übernimmt die Nachfolge der seit 2002 erfolgreichen GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) Mission der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Entwickelt wurde die neue Technologie unter Federführung des Albert-Einstein-Instituts Hannover (AEI, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover) im Rahmen des Exzellenzclusters Centre for Quantum Engineering and Space-Time Research (QUEST).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und die Helmholtz-Gemeinschaft fördern das gesamte Satellitenprojekt mit insgesamt 49,2 Millionen Euro. Dazu kommen Beistellungen des DLR zum LRI sowie Laser Retro-Reflektoren für beide Satelliten und die Finanzierung des Missionsbetriebs durch das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ).

„Wir sind sehr glücklich, mit unserer Methode aus der Gravitationswellenforschung jetzt auch zur Klimaforschung beitragen zu können. Veränderungen im Schwerefeld der Erde werden mit nie da gewesener Präzision erfasst werden können“, so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am AEI und Professor an der Leibniz Universität Hannover. „Die monatlichen Schwerefelder, die wir seit 2002 aus den Abstandsmessungen des bisherigen GRACE-Mikrowelleninstruments abgeleitet haben, werden mit dem LRI auf GRACE-FO noch einmal wesentlich verbessert. Dies wird zu zuverlässigeren Aussagen zum Klimawandel führen. Mit seiner Expertise zu den Grundlagen der Gravitation und experimentellen Methoden ist das AEI in diesem Projekt ein idealer Partner für das GFZ“, sagt Prof. Dr. Frank Flechtner vom GFZ in Potsdam, unter dessen Federführung der deutsche Beitrag für GRACE-FO realisiert wird.

GRACE-FO soll 2017 dem spätestens dann auslaufenden Projekt GRACE folgen und die räumlichen und zeitlichen Veränderungen des Schwerefeldes der Erde mit einer deutlich besseren Auflösung und Messgenauigkeit erfassen. Die entsprechenden Daten sind in der internationalen Erdsystem- und Klimaforschung stark gefragt, um das aktuelle Klimageschehen besser verstehen und Klimaänderungen über lange Zeiträume besser voraussagen zu können. Die deutschen Beiträge für GRACE-FO werden federführend vom GFZ realisiert. Am GFZ werden darüber hinaus die wissenschaftlichen Daten der Mission ausgewertet. Das AEI ist für das Design und Management des LRI-Gesamtinstrumentes zuständig, das gemeinsam mit dem Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA entwickelt wurde. Weitere Partner in Deutschland sind die SpaceTech GmbH in Immenstaad, Astrium GmbH und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) mit Teilinstituten in Hannover und Golm ist weltweit das einzige Forschungsinstitut, an dem die vollständige Bandbreite der Gravitationsphysik erforscht wird: Von abstrakter Theorie bis zur experimentellen Anwendung. Auch die langjährige intensive Zusammenarbeit zwischen AEI, dem Jet Propulsion Laboratory und dem Goddard Space Flight Center der NASA im Bereich der Laserinterferometrie für LISA (Laser Interferometer Space Antenna), ein Gravitationswellenobservatorium im Weltraum, unterstreicht die ideale Partnerschaft in diesem Projekt.

Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ beschäftigt sich seit seiner Gründung intensiv mit der Bestimmung des Erdschwerefeldes. Dazu wurde 1995 der erste passive Satellit GFZ-1 gestartet, der auf seiner kugelförmigen Oberfläche 60 Laser-Retroreflektoren trug, die vom Boden aus angemessen wurden. Sein Nachfolger war im Jahre 2000 der am GFZ entwickelte CHAMP (CHAllenging Minisatellite Payload), der wie GRACE einen onboard GPS-Empfänger beherbergte sowie zum ersten Mal ein Akzelerometer flog, mit dem die nicht-gravitativen Kräfte durch die Restatmosphäre oder den solaren Strahlungsdruck direkt gemessen werden konnten. Damit war zum ersten Mal die Schwerefeldbestimmung allein aus den Daten eines einzelnen Satelliten möglich. CHAMP war wiederum die Basis des GRACE-Konzepts bei dem zwei „CHAMP-ähnliche“ Satelliten durch einen hochpräzisen Intersatellitenlink verbunden wurden. Das GFZ stellt mit Prof. Dr. Frank Flechtner bei GRACE den Co-PI und ist Teil des wissenschaftlichen Prozessierungssystems. Basierend auf dem großen Erfolg von GRACE, hat das GFZ schon frühzeitig mit amerikanischen Kollegen die Nachfolgemission GRACE-FO geplant und realisiert und managt derzeit die deutschen Missionsanteile.

Hintergrund

Hydrologen, Glaziologen und Ozeanographen fordern seit langem einerseits präzisere Messmethoden mit einer höheren zeitlichen und räumlichen Auflösung sowie einer verbesserten Messgenauigkeit für die Intersatelliten-Distanzmessung zu entwickeln, andererseits über die Missionsdauer von GRACE hinaus andauernde Langzeitmessungen von Masseflüssen im Erdsystem. GRACE-FO erfüllt beide Forderungen, denn die Mission erlaubt es, die mit GRACE begonnenen Messungen, die voraussichtlich in 2014/15 technisch bedingt beendet werden, fortzusetzen; gleichzeitig wird mit dem LRI ein zusätzliches hoch präzises Messsystem eingeführt. Es wird parallel zum bestehenden, weniger genauen, Mikrowellenmesssystem arbeiten und zusätzlich sehr genaue Daten über die relative Ausrichtung der beiden Satelliten zueinander liefern.

Was gemessen wird

Die Messsysteme auf GRACE und GRACE-FO registrieren selbst kleinste Abstandsänderungen zwischen den Satelliten. Aus den entsprechenden Daten lassen sich Rückschlüsse auf Veränderungen im Schwerefeld der Erde und die Ursachen dafür ableiten. Diese Informationen bilden eine wesentliche Grundlage für die Erforschung des globalen Klimawandels. Beobachtet wird beispielsweise, wie sich der Eismassenhaushalt von Grönland und der Antarktis verändert oder wie sich regionale Wasserspeicher in den großen Flusseinzugsgebieten der Erde und in kontinentalen Grundwasserleitern entwickeln. Darüber hinaus geht es darum, wie sich Ozeanmassen und Meeresspiegel verändern, welche Ursachen den Veränderungen zugrunde liegen und welche Rückschlüsse beispielsweise aus den Daten über klimarelevante ozeanische Tiefenströmungen gezogen werden können.

Die Mission

Amerikanische (NASA/Jet Propulsion Laboratory) und deutsche (GFZ/AEI) Einrichtungen haben vor etwa drei Jahren erste Studien zur Planung und Realisierung einer GRACE-Nachfolgemission (GRACE-FO) begonnen. Ziel war, möglichst zeitnah eine kostengünstige Nachfolgemission in einen GRACE-ähnlichen Orbit zu bringen. Deshalb wurde ein Nachbau des GRACE-Systems auf der Basis des heutigen Technologiestatus geplant, das zusätzlich mit einem experimentellen Laser Ranging Interferometer (LRI) bestückt wird.

GRACE-FO wird wie GRACE aus zwei baugleichen Satelliten bestehen, die in etwa 220 Kilometern Abstand im gleichen polnahen Orbit in ca. 490 km Höhe hintereinander herfliegen. Jeder der beiden Satelliten ist mit einem GNSS (Global Navigation Satellite System) Empfänger zur Positionsbestimmung, einem Beschleunigungsmesser zur Korrektur von Störbeschleunigungen durch die Restatmosphäre und die Sonneneinstrahlung sowie drei Sternsensoren zur Bestimmung der Satellitenlage im Raum ausgerüstet. Herzstücke der Instrumentierung sind ein ultrapräzises Mikrowellen-Distanzmesssystem, mit dem sich der Abstand zwischen den Satelliten auf einige tausendstel Millimeter vermessen lässt sowie das neue Laser Ranging Interferometer (LRI), das noch bis zu 50 mal genauer misst. Bewährt sich diese Technologie, wird die Abstandsmessung zwischen den beiden beteiligten Satelliten der nächsten Generation nach 2020 vollständig auf einem LRI-System basieren. Davon werden diejenigen deutschen Unternehmen profitieren, die das LRI-Instrument derzeit bauen. Sie verfügen damit über Schlüsselqualifikationen, die für zukünftige Interferometriemissionen von entscheidender Bedeutung sein werden.

Das Laser Ranging Instrument (LRI)

Das LRI ist die wesentliche Neuerung zwischen GRACE und GRACE-FO. Es wird parallel zum vorhandenen Mikrowelleninstrument betrieben werden und soll primär die gleiche Messgröße, den Abstand der Satelliten, aber mit deutlich verbesserter Genauigkeit liefern. Zusätzlich liefert es sehr genaue Daten über die relative Ausrichtung der Satelliten zueinander. Diese Daten werden eine gegenseitige Kalibration der beiden Abstandsmessungen und eine verbesserte Korrektur der Störungen, die durch die schwankende Ausrichtung der Satelliten zueinander entstehen, ermöglichen. Das LRI ist als experimentelles Zusatzinstrument konzipiert, so dass es kostengünstig mit geringeren Anforderungen an Lebensdauer und Zuverlässigkeit gebaut werden kann. Funktioniert es wie erwartet, wird es die Daten von GRACE-FO gegenüber denen von GRACE deutlich verbessern; fällt es aus, liefert GRACE-FO Daten der gleichen hohen Qualität wie GRACE.

Das LRI auf GRACE-FO wird das erste Laserinterferometer überhaupt zwischen Satelliten sein und wertvolle Erfahrungen über Design, Bau, Betrieb und Verhalten im Orbit liefern, die auf andere Weise nicht zu gewinnen sind. Das zugehörige „Preliminary Design Review“ wurde Ende Mai erfolgreich in den USA durchgeführt.

Das Design des LRI beruht zu wesentlichen Teilen auf den langjährigen Erfahrungen, die am AEI bei theoretischen und experimentellen Vorbereitungen der LISA- und LISA Pathfinder-Missionen zur Messung von Gravitationswellen im Weltall gesammelt wurden. Ein erfolgreicher Betrieb würde so auch die eLISA Mission entscheidend unterstützen und die deutsche Führungsrolle im Gebiet der Laserinterferometrie zwischen Satelliten weltweit weiter stärken.

Laserinterferometrie am AEI

Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft gehören seit den 1970er Jahren zu den Pionieren der Laserinterferometrie im Bereich der Gravitationswellenforschung. Am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) werden in diesem Zusammenhang hochpräzise Methoden und Technologien zur erdgebundenen und weltraumgestützten Messung von Gravitationswellen entwickelt. Seit 2006 wird am AEI außerdem untersucht, wie diese Technologien in Satelliten-Schwerefeldmissionen angewendet werden können. Seit 2009 haben sich die Wissenschaftler des AEI speziell mit dem LRI von GRACE-FO beschäftigt, das grundlegende Design entwickelt, sowie umfangreiche optische Simulationen und erste Experimente durchgeführt.

So wurden im Labor zahlreiche kritische Komponenten geprüft und solche ausgewählt, die im Orbit Längenmessungen mit Picometer-Stabilität (10−12 Meter) – das ist ein Billionstel Meter – erlauben. Darüber hinaus demonstrierten Wissenschaftler des AEI bereits 1998 im Labor die für LISA erforderliche Frequenzstabilisierung von Lasern.
Wie sich Schwankungen in der Ausrichtung des Satelliten auswirken und wie sie gemessen werden können, wird von AEI-Wissenschaftlern seit Jahren detailliert experimentell und mit eigens entwickelten numerischen Simulationen untersucht, so dass man heute die Probleme und deren Lösungen gut versteht.

Für LISA wurden darüber hinaus weitergehende Techniken entwickelt, die bei GRACE-FO nicht nötig oder anwendbar sind. Dazu gehört beispielsweise die Übertragung von Daten auf dem Laserstrahl, die mehrstufige Stabilisierung der Laserfrequenz mit den Interferometer-Armen als Referenz, oder die eigene Entwicklung eines Phasenmeters.

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