Bestnoten für LISA Pathfinder ‒ Entwicklungsphase abgeschlossen

Nach Begutachtung der gesamten Satellitenmission erreicht die Testmission für den weltraumbasierten Gravitationswellendetektor LISA wichtigen Meilenstein.

23. September 2010
Zum Abschluss der Entwicklungsphase wurde LISA Pathfinder (LPF) auf Herz und Nieren geprüft und mit großem Erfolg bestätigt: Das gesamte Konzept - von den wissenschaftlichen Instrumenten über das Betriebssystem bis hin zur Hardware ‒ hielt dem so genannten ‚Critical Design Review’ der ESA-Gutachter stand. Der Mission LISA Pathfinder, die Ende 2012/Anfang 2013 starten soll, steht nun nichts mehr im Wege. Das Critical Design Review fand auf dem Gelände des European Space Research and Technology Centre (ESTEC) der European Space Agency (ESA) im niederländischen Noordwijk statt.

Gravitationswellen künden von Sternexplosionen, vom Zusammenprall Schwarzer Löcher und sogar vom Urknall selbst. Der satellitengestützte Gravitationswellendetektor LISA (Laser Interferometer Space Antenna) soll ab 2020 unter anderem Gravitationswellen verschmelzender Schwarzer Löcher im Weltall beobachten. Im Zusammenspiel mit anderen astronomischen Methoden und den Gravitationswellenobservatorien auf der Erde wird man dann bisher noch unbekannte Bereiche, die sogenannte „Dunkle Seite des Universums“, beobachten können.

Mit LISA Pathfinder soll ab Ende 2012 die Technologie zur Messung von Gravitationswellen im All getestet werden. Deshalb stand jetzt die gesamte Mission auf dem Prüfstand:

  • das hochempfindliche Lasersystem zur Interferometrie,
  • das Konzept der frei schwebenden Testmassen,
  • die zur Datenübertragung nötige Software
  • die Kontrollsysteme, die Datenauswertung sowie
  • die Rakete, das Bodensegment, die Satellitensteuerung und die Missionslogistik.

„LISA Pathfinder ist eine einzigartige Mission, der Satellit ist ein Meisterstück. Einmal gestartet, können wir ihn nicht zurückholen, um etwas zu reparieren oder zu verbessern. Wir müssen daher sicher sein, dass alle Komponenten den Belastungen während des Starts und des Fluges stand halten und so zusammen funktionieren, wie wir es geplant haben“, erklärt Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Leiter des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover. „Deshalb überprüfen wir mit der ESA und unabhängigen Gutachtern die gesamte Mission seit den ersten Ideen immer wieder und in allen Entwicklungsstufen.“

Hintergrundinformationen

LISA Pathfinder ‒ Entwicklung und Test der LISA-Schlüsseltechnologien

Mit LISA Pathfinder werden die speziell für LISA entwickelten Technologien auf ihre Weltraumtauglichkeit getestet. Dafür wird gewissermaßen ein Laserarm der drei geplanten LISA Satelliten von 5 Millionen Kilometern auf etwa 30 Zentimeter geschrumpft und die Versuchsanordnung in nur einem Satelliten untergebracht. Jeder spätere LISA Satellit wird zwei Laserinterferometer und eine spezielle Testmasse enthalten. Die Laserinterferometer werden auf die beiden anderen Satelliten ausgerichtet sein und winzige Änderungen im Abstand zwischen den Testmassen mit einer Genauigkeit von ungefähr einem Picometer (1pm = 10-12 m) messen können.

Die wissenschaftlichen Instrumente dieser Technologien sind in zwei z. T. komplementären Nutzlastpaketen enthalten:

  • dem LTP (LISA Technology Package, ESA) und
  • dem DRS (Disturbance Reduction System, NASA).


Das LTP wird von einem europäischen Firmenkonsortium (D, I, UK, ES, NL, CH, F) unter Federführung von EADS Astrium Friedrichshafen gebaut und enthält:

  • Inertialreferenzsensoren zur Messung und Kontrolle der Positionen der Testmassen relativ zum Satelliten,
  • Laserinterferometrie zur Positionsbestimmung der Testmassen relativ zueinander und zum Satelliten,
  • ein Drag-Free Control System (DFACS) zur feinen Lageregelung des Satelliten relativ zu den Testmassen mit Hilfe von Mikro-Newton Ionen-Triebwerken.


Das Herzstück von LISA Pathfinder

Die ersten beiden Messsysteme bilden zusammen das Optical Measurement System (OMS), das Herzstück der Nutzlast von LISA Pathfinder.

Es besteht aus Lichtquelle (Infrarot-Laser bei 1064 nm mit einer Leistung von 40 mW), optischer Bank, Ansteuerelektronik und Regelungssoftware. Auf der optischen Bank durchläuft der Laserstrahl ein komplexes System von Spiegeln und Strahlteilern, die zusammen ein Laserinterferometer bilden, mit dem genaueste Abstandsmessungen zwischen Testmasse und Satelliten und auch zwischen den beiden Testmassen selbst durchgeführt werden. Mit einer ähnlichen Methode werden dann ab 2020 bei der eigentlichen LISA Mission Gravitationswellen nachgewiesen, die den 5 Millionen km großen Abstand der Satelliten von einander ändern. Die Data Management Unit (DMU) steuert das OMS, sammelt und sortiert die Daten und führt eine erste Analyse durch.

Nachdem die einzelnen Komponenten des OMS von unterschiedlichen Herstellern gebaut wurden, werden alle Bestandteile nun nach und nach ausgeliefert und in einer weiteren Testkampagne bei sog. Integrationstests am AEI in ihrem Zusammenspiel auf Herz und Nieren überprüft.

Der LISA Pathfinder Satellit selbst, also die Hülle der Nutzlast, wird im Auftrag der ESA vom Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS Astrium bei Astrium/Großbritannien in Stevenage gebaut. Eines der Nutzlastpakete, das LISA Technology Package LTP, wird von Astrium in Deutschland mit Unterstützung verschiedener Unterauftragsnehmer ‒ darunter Tesat Spacecom GmbH ‒ hergestellt.

LISA, das Gravitationswellenobservatorium im Weltraum

Gravitationswellen sind winzige Wellen in der Raumzeit. Sie entstehen bei kosmischen Ereignissen mit sehr massiven Objekten, z. B. bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher.

Die Weltraummission LISA, eine Meilenstein-Mission von ESA und NASA, die im Jahr 2020 starten soll, wird diese winzigen Abweichungen der Raumzeit bei Frequenzen zwischen 0,1 mHz und 1 Hz messen. LISA ist daher komplementär zu den erdgebundenen Detektoren, die in höheren Frequenzbändern messen. LISA wird aus drei Satelliten in einer gleichseitigen Dreieckskonfiguration bestehen. Um sehr kleine Änderungen ihrer fünf Millionen km Basisliniendistanz zu messen, die durch eine vorbeiziehende Gravitationswelle verursacht werden, wird Laserinterferometrie verwendet.

Die außergewöhnliche Empfindlichkeit von LISA wird sehr präzise Messungen und damit einen Blick so weit in die Vergangenheit des Universums ermöglichen, wie ihn keine andere Technologie bieten kann. Neben anderen kosmischen Quellen wird LISA mit hoher Präzision beobachten, wie binäre Schwarze Löcher zu einzelnen und größeren Schwarzen Löchern verschmelzen. LISA wird es den Gravitationswissenschaftler*innen ermöglichen, kosmische Ereignisse wie die Verschmelzung zweier supermassiver Schwarzer Löcher für ihre Astronomenkolleg*innen vorherzusagen, so dass sie das tatsächliche Ereignis mit ihren Teleskopen verfolgen können. LISA wird auch solche Ereignisse beobachten können, die in der sehr weit zurückliegenden Vergangenheit liegen - bis zum Anfang des Universums.

LISA wird auch dazu beitragen, die "Geschichte der Expansion des Universums" aufzuklären und einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung der physikalischen Eigenschaften der geheimnisvollen dunklen Energie zu leisten - die vermutlich die beschleunigte Expansion des heutigen Universums vorantreibt.

Die Methode zur Messung der Ausdehnung des Universums mit LISA basiert auf einer Entdeckung von Prof. Bernard F. Schutz, Direktor am AEI, aus dem Jahr 1986: Er zeigte, dass sich aus der Analyse der Gravitationssignale eines sich drehenden Doppelsystem aus zwei Schwarzen Löchern die genaue Entfernung dieses Systems ableiten lässt. Dies ist die zuverlässigste Methode für Entfernungsmessungen auf kosmischen Skalen, die den Astronomen heute zur Verfügung steht.

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