Der Spuk, den Einstein nicht mochte

Wissenschaftler des AEI planen ungewöhnliches Experiment

7. Januar 2008

Physiker aus Hannover und Potsdam planen ein ungewöhnliches Experiment: Sie wollen zwei Spiegel quantenmechanisch miteinander verschränken. Dabei entsteht eine Verbindung, die so seltsam ist, dass Albert Einstein sie „spukhafte Fernwirkung“ nannte. Gelänge das Experiment, wäre es das erste Mal, dass eine solche Kopplung zwischen großen Objekten hergestellt wird. Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität Hannover (Albert-Einstein-Institut) veröffentlichen ihren Vorschlag für das Experiment Anfang Januar in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“. Dort erscheint ihre Arbeit unter dem Titel „Entanglement of macroscopic test masses and the Standard Quantum Limit in laser interferometry“. Der Artikel wird am 7. Januar online und am 11. Januar in der gedruckten Ausgabe veröffentlicht. Durchgeführt werden soll das Experiment noch in diesem Jahr, nachdem das erforderliche Vakuumsystem aufgebaut wurde. Erste Ergebnisse sind 2009 oder 2010 zu erwarten.

Quantenmechanische Verschränkungen kennt man bisher nur aus der Welt des ganz Kleinen. Sie treten zwischen Elementarteilchen, Atomen und Molekülen auf. Wenn zwei Teilchen miteinander verschränkt sind, dann benehmen sie sich extrem merkwürdig; ein unsichtbarer Zauber scheint sie zu vereinen.

Ein Beispiel

Angenommen, man würde zwei Würfel quantenmechanisch verschränken. Dann träte etwas Eigenartiges ein: Beide würden bei einem Wurf garantiert dieselbe Augenzahl zeigen. Die Zahl selbst wäre unmöglich vorherzusehen – aber dass sie auf beiden Würfeln auftaucht, darauf könnte man sich hundertprozentig verlassen. Die Würfel sind nicht gezinkt. Jeder von ihnen liefert vollkommen zufällige Zahlen – genau so, wie es sein soll. Das kann man beweisen, indem man ihn sehr oft wirft und die Ergebnisse aufschreibt: Es kommt eine saubere Zufallsstatistik heraus. 
Man könnte nun vermuten, dass der eine Würfel dem anderen zusieht und sich immer so hinlegt wie sein Partner. Aber auch das stimmt nicht. Trennt man sie voneinander, bringt sie zum Beispiel in verschiedene Gebäude, dann liefern sie immer noch dieselben Zahlen. Gibt es zwischen ihnen vielleicht eine Art Kraftfeld? Wieder nein: Man kann die beiden auf jede erdenkliche Weise voneinander abschirmen, ihre Augenzahlen stimmen trotzdem bei jedem Wurf überein. 
Vollends rätselhaft wird diese „spukhafte Fernwirkung“ dadurch, dass sie unendlich schnell passiert. Sobald der eine Würfel sich für eine Augenzahl „entscheidet“, nimmt auch der andere sie an. Und zwar augenblicklich, ohne Zeitverzögerung – egal, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.

Albert Einstein war skeptisch. Aber: Inzwischen wurden quantenmechanische Verschränkungen nachgewiesen

Dass zwei Objekte auf solch mysteriöse Weise verbunden sein können, erkannte Albert Einstein 1935 gemeinsam mit seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen. Einstein behagte dieses Ergebnis nicht; es widersprach seinem Weltbild und war ihm nicht geheuer. Deshalb bezeichnete er die Sache als Spuk. Heute wissen die Forscher, dass es quantenmechanische Verschränkungen wirklich gibt. Sie wurden unter anderem an Lichtteilchen, Atomen und Molekülen nachgewiesen. Natürlich haben solche Teilchen keine Augenzahlen. Aber sie besitzen andere zufällige Eigenschaften. Misst man zum Beispiel erst ihren Ort und dann ihre Geschwindigkeit, kommen unvorhersehbare Werte heraus – das besagt die Heisenbergsche Unschärferelation. Macht man solche Messungen an zwei verschränkten Teilchen, dann sind die Ergebnisse zwar immer noch zufällig, haben aber klar miteinander zu tun. Die Werte der beiden Teilchen können identisch sein oder sich eindeutig ergänzen – etwa, indem ihre Summe immer gleich groß ist.

Das Ziel: Beweisen, dass quantenmechanische Verschränkungen auch bei großen Objekten auftreten

Forscher vom Albert-Einstein-Institut (AEI) in Hannover und Potsdam-Golm wollen jetzt zeigen, dass die quantenmechanische Verschränkung nicht nur bei kleinen Teilchen auftritt, sondern auch bei großen Objekten. Ihr Ziel lautet, zwei hoch reflektierende Superspiegel, die bis zu mehrere Kilogramm schwer sein sollen, miteinander zu verschränken. Und so soll die Sache funktionieren: Beide Spiegel hängen im Vakuum an Pendeln, wo sie vor Schall und Erschütterungen geschützt sind. Zunächst lenken die Wissenschaftler auf jeden davon einen Laserstrahl. Die Strahlen werden an den Spiegeln zurückgeworfen, treffen anschließend aufeinander und überlagern sich. Dabei entstehen zwei Lichtmuster, aus denen die Forscher extrem genau ablesen, wie weit die Spiegel voneinander entfernt sind und wie schnell sie sich relativ zueinander bewegen. 
Die Laserstrahlen geben den Spiegeln jedoch ständig winzige Stöße, die absolut unvorhersagbar sind. Dadurch beginnen diese, in zufälligen Richtungen zu pendeln. Wären die Spiegel verschränkt, wären ihre Pendelbewegungen aber nicht nur unvorhersagbar, sie wären außerdem im völligen Gleichtakt, also perfekt synchron. Dieses seltsame Verhalten wäre direkt analog zu dem der verschränkten Würfel, wenn man diese wiederholt werfen würde. Bei dem geplanten Experiment wäre dieses Verhalten an den beiden Lichtmustern zu erkennen: Die beiden Lichtmuster würden sich ständig in unvorhersagbarer Art und Weise ändern, aber erstaunlicherweise im Gleichtakt. Die Verschränkung der beiden Spiegel wäre also durch die Beobachtung der Lichtmuster klar zu erkennen.

„Wir wollen dieses Experiment am Albert-Einstein-Institut in Hannover durchführen“, erläutert Roman Schnabel, Juniorprofessor am AEI, „sollten wir tatsächlich eine Verschränkung zwischen den Spiegeln finden, wäre das eine kleine Sensation.“ Dieses Ergebnis würde zeigen, dass die Quantenmechanik sich nicht nur bei kleinen Teilchen bemerkbar macht, sondern auch in der großen Welt, die für uns sichtbar ist. „Es gibt eine viel beachtete These, wonach Quanteneffekte bei großen Objekten deshalb nicht zu sehen sind, weil die Schwerkraft der Objekte sie zerstört“, so Schnabel, „diese These könnten wir mit unserem Experiment widerlegen.“

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