Deutsche und US-amerikanische Amateurwissenschaftler entdecken mit Einstein@Home einen neuen Pulsar in Arecibo-Daten

12. August 2010

Computer im Ruhezustand haben sich als eine höchst effiziente Spielwiese für Astronomen erwiesen: Im Rahmen des Einstein@Home-Projektes haben jetzt drei Amateurwissenschaftler – ein Deutscher und ein amerikanisches Ehepaar einen neuen Radiopulsar entdeckt. Sein Signal war in Daten des Arecibo Observatoriums verborgen. Das nun in Science Express veröffentlichte Ergebnis ist die erste Entdeckung in den Tiefen des Alls mit Einstein@Home: Dieses Projekt nutzt die Rechenzeit, die rund 250 000 freiwillige Teilnehmer auf ihren Heim- und Bürocomputern aus 192 Ländern zur Verfügung stellen. (Science Express, Aug. 12, 2010.)
Zu verdanken ist die Entdeckung Daniel Gebhardt von der Universität Mainz und Chris und Helen Colvin aus Ames, Iowa in den Vereinigten Staaten. Ihre Computer analysieren zusammen mit 500 000 weiteren Rechnern in der ganzen Welt Daten für Einstein@Home. Im Schnitt stellt ein Teilnehmer zwei Computer zur Verfügung.


Hintergrundinformationen

Gravitationswellen folgen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie und wurden erstmals 1916 von Einstein vorhergesagt. Sie konnten jedoch bislang noch nicht direkt nachgewiesen werden. Einstein@Home wurde von der American Physical Society zum Einstein Jahr 2005 (Internationales Jahr der Physik 2005) entwickelt. In den vergangenen fünf Jahren hat Einstein@Home in den Daten der amerikanischen LIGO-Detektoren nach Gravitationswellen gesucht.

Radiopulsare sind schnell rotierende Neutronensterne. Sie senden an zwei gegenüberliegenden Seiten kegelartig gebündelt Radiostrahlen aus, die die Erde wie die Lichtstrahlen eines Leuchtturms in regelmäßigen Abständen überstreichen – bis zu 716 Mal pro Sekunde. Jocelyn Bell und Antony Hewish entdeckten den ersten Radiopulsar im Jahr 1967; (zufälligerweise befindet sich der erste entdeckte Radiopulsar ebenfalls im Sternbild Füchschen.) Pulsare, die von einem Begleiterstern umkreist werden, nennt man Doppelpulsare. Anhand solcher Binärsysteme konnte Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie mit hoher Genauigkeit bestätigt werden.

Disrupted Recycled Pulsar
Werden zwei massereiche Sterne aus derselben Gaswolke nahe beieinander geboren, können sie ein Doppelsternsystem bilden und einander von Anfang an umkreisen. Sind beide Sterne mindestens einige Male so massereich wie unsere Sonne, explodieren sie am Ende ihres Lebens als Supernova. Der massereichere Stern explodiert zuerst und bleibt als Neutronenstern zurück. Falls die Explosion den zweiten Stern nicht aus dem Doppelsternsystem herausschleudert, bleibt dieses bestehen. Der Neutronenstern kann nun als Radiopulsar sichtbar sein, er verliert langsam Energie und dreht sich daher zunehmend langsamer. Wenn der zweite Stern im Verlauf seines Lebens zum Riesenstern anwächst, kann der Neutronenstern Materie von ihm aufsaugen. Diese Materie fällt auf den Neutronenstern herab, überträgt Drehimpuls, erhöht damit dessen Drehfrequenz und verringert das Magnetfeld. Dieser Vorgang wird als "Recycling" bezeichnet, da der Neutronenstern wieder in seinen ursprünglichen, schnell drehenden Zustand gebracht wird. Schließlich explodiert der zweite Stern ebenfalls in einer Supernova und hinterläßt einen zweiten Neutronenstern. Falls das Doppelsternsystem diese Explosion ebenfalls überlebt, entsteht ein Doppel-Neutronenstern. Andernfalls bleibt der "recycelte" Pulsar ohne Begleiter zurück und wird dann "disrupted recycled pulsar" genannt. Solche Objekte rotieren mit einer Frequenz von einigen und bis zu 50mal pro Sekunde.


Das Arecibo-Observatorium

Das Arecibo-Observatorium ist das Radioteleskop mit dem weltgrößten Einzel-Reflektor und wird zur Untersuchung von Pulsaren, Galaxien, Objekten in unserem Sonnensystem und der irdischen Atmosphäre genutzt. Mit dem Arecibo-Teleskop wurde 1974 der erste Binärpulsar entdeckt, der 1993 den Physik-Nobelpreis für Hulse und Taylor einbrachte; die beiden Astrophysiker testeten mit diesem Sternensystem die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie aufs genaueste. Die zur Zeit mit dem Arecibo-Teleskop durchgeführte "Pulsar ALFA (PALFA)" Durchmusterung benutzt eine spezielle Radio- Kamera (Arecibo L-Band Feed Array) und wird von PALFA-Konsortium-Mitgliedern ausgeführt. Die großen Datenmengen dieser Durchmusterung werden zunächst an der Cornell University archiviert und dort und in anderen PALFA Institutionen bearbeitet. Für Einstein@Home werden die Daten vom Cornell Center for Advanced Computing über eine Hochgeschwindigkeitsinternetverbindung zum Albert-Einstein-Institut (AEI) in Hannover übertragen, aufbereitet und dann zu Computern der freiwilligen Amateurwissenschaftler in der ganzen Welt verteilt, welche die Daten analysieren. Die Ergebnisse der Berechnungen werden dann an das AEI und an Cornell zurückgeschickt und dort weiter untersucht.

Das Pulsar ALFA (PALFA) Konsortium wurde 2003 gegründet, mit dem Ziel eine großangelegte Pulsardurchmusterung mit dem Arecibo-Teleskop durchzuführen. Ihm gehören Astronomen von 20 Universitäten, Instituten und Observatorien weltweit an.

Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) ist das weltweit größte Forschungsinstitut, das sich mit der Erforschung der allgemeinen Relativitätstheorie befasst. An den zwei Institutsstandorten in Potsdam und Hannover wird auf den Gebieten der Astrophysik, der theoretischen Physik, der Mathematik und der Experimentalphysik geforscht. Das AEI in Hannover ist eine Kooperationseinrichtung der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität Hannover. Gemeinsam mit britischen Partnern betreibt das Institut den Gravitationswellendetektor GEO600 in der Nähe von Hannover. Es ist Partner im amerikanischen LIGO-Projekt und spielt eine wichtige Rolle bei der Analyse der Daten aller vorhandenen Gravitationswellendetektoren einschließlich des Virgo-Detektors in Italien. Die Software, die bei der Einstein@Home-Suche nach Radiopulsaren verwendet wird, wurde am AEI Hannover entwickelt.

Das Center for Gravitation and Cosmology at the University of Wisconsin-Milwaukee (UWM) stellt den Server für das Einstein@Home-Projekt und spielt eine wichtige Rolle bei der Datenanalyse innerhalb der LIGO Scientific Collaboration. Die UWM führt außerdem von Wisconsin aus Radiobeobachtungen in Arecibo durch (Arecibo Remote Control Center, ARCC).

BOINC steht für Berkeley Open Infrastructure for Network Computing und wird von Einstein@Home und vielen weiteren, auf freiwilliger Basis funktionierenden Computerprojekten (wie z.B. SETI@Home) verwendet. BOINC wurde an der University of California im Space Science Laboratory in Berkeley unter der Leitung von Dr. David Anderson entwickelt.

Finanzierung
Die U.S. National Science Foundation unterstützt diese Arbeit durch die Förderung des Einstein@Home-Projekts, des PALFA-Projekts, des BOINC-Projekts an der University of California in Berkeley sowie durch ein Partnerschaftsabkommen mit der Cornell University über den Betrieb des Arecibo-Observatoriums. Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover wird von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert und von der Leibniz Universität Hannover unterstützt.

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