Ein großer Schritt zum ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen

Forscher des Albert-Einstein-Instituts leisten entscheidende Beiträge zu den advanced LIGO-Gravitationswellen-Detektoren

18. Mai 2015

Am 19. Mai weiht die LIGO Scientific Collaboration (LSC) die neue Generation der Gravitationswellen-Observatorien (aLIGO) ein, zu denen Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover und Potsdam entscheidende Beiträge geleistet haben: Sie steuerten die für die Präzisionsmessung erforderlichen maßgeschneiderten Hochleistungslaser, effiziente Datenanalyse-Methoden und ihre Implementierung auf leistungsfähigen Computerclustern sowie genaue Modelle der Signalwellenformen zur Gravitationswellen-Detektion und Messung astrophysikalischer Eigenschaften bei. Das AEI ist damit ein führender Partner in der internationalen Forschergemeinschaft auf dem Weg zum ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen. Die feierliche Inbetriebnahme der zweiten Detektorgeneration findet am Standort Hanford im Bundesstaat Washington (USA) statt.

Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen wird ein neues Fenster zur sonst unsichtbaren „dunklen“ Seite des Universums öffnen und den Beginn der Gravitationswellen-Astronomie markieren. Gravitationswellen sind Kräuselungen der Raumzeit, die bei kosmischen Katastrophen ausgesendet werden – beispielsweise von explodierenden Sternen, verschmelzenden schwarzen Löchern oder Neutronensternen und schnell rotierenden, kompakten Sternresten. Albert Einstein sagte die Existenz dieser Wellen bereits im Jahr 1916 vorher, doch sie wurden bislang noch nie direkt beobachtet. Die aLIGO-Instrumente sollten bei Erreichen der Design-Empfindlichkeit jährlich mehrere Gravitationswellen-Ereignisse nachweisen.

GEO600 trägt fortschrittliche Detektortechnik bei

Wissenschaftler des AEI entwickelten und installierten gemeinsam mit dem Laser Zentrum Hannover die Hochleistungslaser, die im deutsch-britischen GEO600-Detektor in der Nähe von Hannover getestet wurden. Jetzt werden sie in beiden aLIGO-Detektoren eingesetzt und bilden das Herz der hochpräzisen Messtechnologie. „Mit unseren britischen Kollegen entwickelten und betreiben wir den Gravitationswellen-Detektor GEO600. Wir nutzen ihn als Ideenschmiede und Prüfstand für fortschrittliche Detektortechnik”, sagt AEI-Direktor Prof. Karsten Danzmann, der auch Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover ist. „Viele dieser neuartigen Methoden werden nun in den aLIGO-Detektoren eingesetzt, beispielsweise Signalüberhöhung und monolithische Spiegelaufhängungen.“ Die Abteilung von Danzmann am AEI spielt eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Anwendung von nicht-klassischem Licht in Gravitationswellen-Detektoren. GEO600 ist der weltweit einzige Detektor, der sogenanntes gequetschtes Licht einsetzt, um die Empfindlichkeit über die durch die Quantennatur des Lichts gesetzten Grenzen hinaus zu steigern.

Führende Partner in der Datenanalyse mit leistungsfähigen Supercomputern

Forscher am AEI entwickeln und implementieren fortschrittliche und effiziente Methoden der Datenanalyse für die Suche nach schwachen Gravitationswellen-Signalen in den aLIGO-Daten. „Das AEI ist ein führender Partner bei der weltweiten gemeinsamen Datenanalyse der LSC“, sagt Prof. Bruce Allen, Direktor am AEI. „Für diesen Zweck betreiben wir Atlas, den leistungsfähigsten speziell für die Gravitationswellen-Datenanalyse gebauten Computercluster der Welt.“ Während der ersten wissenschaftlichen Messkampagne Ende 2015 wird Allens Abteilung die Messdaten mit Atlas durchsuchen. Zusammen mit US-amerikanischen Partnern betreibt die Abteilung auch Einstein@Home, ein globales, verteiltes Rechenprojekt zur Gravitationswellen-Datenanalyse. Rund 400.000 Freiwillige aus aller Welt haben in der vergangenen Dekade Rechenzeit auf ihren Heimcomputern, Laptops und Smartphones für das Projekt zur Verfügung gestellt.

Entwicklung genauer Wellenform-Modelle und Gewinnung einzigartiger Informationen aus den beobachteten Signalen

Mit aufwändigen anaytischen Näherungen der allgemeinen Relativitätstheorie entwickeln AEI-Wissenschaftler genaue Wellenform-Modelle für die vielversprechendesten Quellen von Gravitationswellen. „Wir haben die bislang genauesten Modelle für Signalwellenformen für verschmelzende schwarze Löcher entwickelt. Zusammen mit unseren LSC-Kollegen werden wir auf dem Atlas-Computercluster eine Suche nach diesen Signalen in den aLIGO-Daten durchführen. Die Gravitationswellen dieser Systeme zu beobachten wird uns komplett neue Erkenntnisse über diese anderweitig unsichtbaren Objekte liefern“, sagt Prof. Alessandra Buonanno, Direktorin am AEI in Potsdam. „Die neue Suche ist die erste, die alle Phasen vor, nach und während des Verschmelzungsprozesses und den Einfluss der Eigendrehungen der schwarzen Löcher berücksichtigt. Dies wird die Suchempfindlichkeit erhöhen und so unsere Chance auf einen Nachweis erhöhen.“ AEI-Wissenschaftler haben zusammen mit LSC-Kollegen auch einen zweiten Analyse-Schritt für die erste wissenschaftliche Messkampagne vorbereitet, der astrophysikalische Eigenschaften der verschmelzenden schwarzen Löcher bestimmen wird.

Nächster Schritt: erste Messkampagne

aLIGO wird die erste wissenschaftliche Messkampagne „O1“ (observation run 1) im Herbst 2015 beginnen. Damit rückt das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie einen großen Schritt näher – mit entscheidenden Beiträgen aus dem Albert-Einstein-Institut.

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