AEI-Wissenschaftler Holger Pletsch erhält den Heinz Maier-Leibnitz-Preis

Junger Max-Planck-Forscher mit wichtigstem Preis für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland ausgezeichnet

27. Mai 2013

Der Astrophysiker Holger Pletsch, Leiter einer unabhängigen Forschungsgruppe am Max- Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) und dem Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover, forscht an effizienten Methoden zur Entdeckung unbekannter Neutronensterne anhand ihrer Gravitationswellen- und Gammastrahlenemission. Für seine herausragenden Arbeiten erhält er den renommierten Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bundesministerium für Bildung und Forschung. Am 3. Juni 2013 wird der mit 20.000 Euro dotierte Preis im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Magnus-Haus in Berlin überreicht.

Einsteins Erbe und endliche Rechenleistung als Flaschenhals

Vor fast 100 Jahren entwickelte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie, die unser Verständnis des Universums revolutionierte. Viele der Vorhersagen dieser Theorie wurden inzwischen mit zunehmender Präzision experimentell nachgewiesen, doch die direkte Messung eines Effekts – sogenannter Gravitationswellen – steht weiterhin aus. Mit Hilfe dieser winzigen Verzerrungen der Raumzeit wollen Astronomen das Bild vom Kosmos vervollständigen und für die bekannten astronomischen Methoden unsichtbare astrophysikalische Objekte untersuchen.

Ein vielversprechendes Ziel dafür sind Neutronensterne, die extrem dichten und schnell rotierenden Überreste massereicher Sterne. Sie lassen sich anhand ihrer Emission von Gravitationswellen und Gammastrahlung aufspüren. In beiden Fällen begrenzt die verfügbare Rechenleistung die Empfindlichkeit der Datenanalyse. Holger Pletsch entwickelt mit AEI-Kollegen für diese Suchen nach unbekannten Neutronensternen innovative und besonders effiziente Analysemethoden. Für seine wegweisenden Arbeiten auf diesen Gebieten erhält er den Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2013.

Effiziente Methoden für die Gravitationswellen-Datenanalyse

Die Datenanalyse spielt neben der Entwicklung besserer Detektoren die entscheidende Rolle beim direkten Nachweis von Gravitationswellen. Denn die Datenströme existierender Instrumente sind durch Rauschquellen dominiert und mögliche zuvor unbekannte astrophysikalische Signale müssen daher mit großem Rechenaufwand herausgefiltert werden. Das gilt auch für die Suche nach den periodischen Gravitationswellensignalen von schnell rotierenden Neutronensternen.

Die verfügbare Rechenkraft für eine solche Suche zu optimieren, ist Gegenstand von Holger Pletschs Forschung. Die neu entwickelten Analysemethoden erweitern das erfasste Volumen im All um einen Faktor von rund 200. Die Wahrscheinlichkeit, Gravitationswellen von schnell rotierenden Neutronensternen zu entdecken, steigt damit um den gleichen Wert und die erste direkte Messung rückt einen Schritt näher.

Entdeckungen neuer Gammapulsare mittels Technologietransfer

Pletsch hat diese Methoden zudem auf die physikalisch und mathematisch verwandte Suche nach sogenannten Gammapulsaren übertragen und so innerhalb kurzer Zeit mehrere Entdeckungen gemacht. Pulsare sind rotierende Neutronensterne, die sich als kosmische Leuchtfeuer betätigen. Sie senden Gammaphotonen aus, die durch die Eigenrotation des Sternrests wie der Lichtstrahl eines Leuchtturms durchs All geschwenkt werden. Die Schwierigkeit, einen Gammapulsar in einer sogenannten Blindsuche eindeutig nachzuweisen liegt darin, dass a priori keiner der Parameter, die den Pulsar charakterisieren, exakt bekannt ist. Alle denkbaren Parameterkombinationen in mehreren Jahre umfassenden Datensätzen zu überprüfen und ein periodisches Signal aufzuspüren, erfordert daher einen enormen Rechenaufwand.

Holger Pletsch übertrug die ursprünglich für die Gravitationswellen-Datenanalyse entwickelten Methoden auf die Suche nach unbekannten Gammapulsaren. Mit diesen verbesserten, effizienteren Verfahren ließ sich erstmals ein größerer Parameterbereich mit höherer Empfindlichkeit als bislang untersuchen. So gelang Pletsch in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn die Entdeckung von bislang elf neuen Gammapulsaren in Daten des Weltraumobservatoriums Fermi – mehr als ein Drittel der zuvor mit konventionellen Methoden gefundenen Pulsare. Darunter befinden sich viele außergewöhnliche Exemplare, deren Entdeckung eine Tür zu weiterer Forschungsarbeit geöffnet hat.

Hintergrundinformationen:

International ausgezeichneter Forscher

Nach dem Studium der Physik an der TU Kaiserslautern und der University of Wisconsin- Milwaukee verfasste Holger Pletsch seine Doktorarbeit am AEI und wurde dafür von der Leibniz Universität Hannover im Jahr 2009 mit summa cum laude promoviert. Seine Dissertation wurde mit zwei Wissenschaftspreisen ausgezeichnet: Als jüngster Doktorand mit hervorragender Promotion erhielt Holger Pletsch den Dieter-Rampacher-Preis 2009 der Max-Planck-Gesellschaft. Im selben Jahr verlieh das Gravitational Wave International Committee (GWIC) ihm den internationalen GWIC-Thesis Prize für die beste Dissertation auf dem Gebiet der Gravitationswellenastronomie. Seit 2013 leitet er eine Independent Research Group am AEI Hannover.

Neutronensterne als Instrumente der Grundlagenphysik

Neutronensterne ermöglichen Astronomen die Untersuchung grundlegender physikalischer Phänomene unter Extrembedingungen. Aufgrund der enormen Schwerkraft eignen sich diese Objekte als ideale Testumgebungen für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Ihre hohe Dichte erlaubt es Forschern, Materie unter auf der Erde nicht erreichbaren Bedingungen zu untersuchen. Als Überreste explodierter Sterne beleuchten sie deren teils ungewöhnliche „Lebenswege“ und vertiefen unser Verständnis der Sternentwicklung. Neutronensterne gelten außerdem als vielversprechende Quellen von Gravitationswellen, deren direkte Messung eine neue Ära der Astronomie einläuten wird.

Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis

Der nach dem ehemaligen DFG-Präsidenten benannte Heinz Maier-Leibnitz-Preis wird seit 1977 jährlich an junge Wissenschaftler vergeben. Die DFG sieht den Heinz Maier-Leibnitz-Preis als Anerkennung herausragender Leistungen, der die Ausgezeichneten darin unterstützen soll, ihre wissenschaftliche Laufbahn geradlinig weiterzuverfolgen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt das Preisgeld zur Verfügung. Am 3. Juni 2013 wird der mit 20.000 Euro dotierte Preis im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Magnus-Haus in Berlin überreicht.

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