1,24 Millionen Euro für Forschung zum frühen Universum
Dr. Jean-Luc Lehners vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik erhält einen Consolidator Grant des European Research Council (ERC)
Bereits zum zweiten Mal ist der Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe „Theoretische Kosmologie“ beim ERC erfolgreich: 2010 konnte Lehners mit einem ERC Starting Grant seine erste eigene Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik aufbauen. Im November 2017 wurde sein neuer Forschungsantrag bewilligt. Nun sind die Verträge unterschrieben: während der nächsten fünf Jahre erhält Lehners 1,24 Millionen Euro für die Untersuchung von Quanteneffekten im frühen Universum.
Nach der gängigen Theorie entstand das Universum aus einem unfassbar dichten Punkt: die gesamte Materie, die später zu Sternen, Planeten, Gas- und Staubwolken wurde, war vor 13,8 Milliarden Jahren auf einen winzigen Punkt zusammengepresst, der dann explodierte. Seit dem Urknall dehnt sich das Weltall aus, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit.
Dieses klassische Bild von der Entstehung und Entwicklung unseres Universums wirft viele Fragen auf, für deren Beantwortung eine Theorie nötig ist, die Einsteins allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie vereint. Während die allgemeine Relativitätstheorie die Vorgänge „im Großen“ (im Weltall) beschreibt, ist die Quantentheorie für die Physik der kleinsten Teilchen zuständig. Nur mit einer übergreifenden Theorie können wir verstehen, wie sich riesige Massen auf winzigen Abständen verhalten, wie es beim Urknall der Fall gewesen sein muss. Eine solche Theorie der Quantengravitation wurde aber bislang noch nicht gefunden.
Eine Quantentheorie des Urknalls
„Wir können die Welt, in der wir leben, mit der Quantentheorie beschreiben", erklärt Lehners. „Es ist jedoch noch nicht gelungen, sie auch auf den Urknall oder auf das Innenleben von schwarzen Löchern anzuwenden, denn hierfür muss sie mit Einsteins Relativitätstheorie kombiniert werden."
Lehners will nun mit modernen mathematische Methoden Quanteneffekte im frühen Universum untersuchen, um so Licht in die dunkle Kinderstube des Weltalls zu bringen. „Letzten Endes geht es darum, die Anfangsbedingungen unseres Universums genau zu verstehen“, so Lehners.
Um in der Quantentheorie den Weg eines Teilchens von A nach B zu beschreiben, betrachtet man alle möglichen Wege, die das Teilchen einschlagen könnte, auch Wege, die in der klassischen Physik gar nicht erlaubt wären. Gewissermaßen tragen alle Möglichkeiten zur Realität bei, nur ist es so, dass manche Möglichkeiten viel wahrscheinlicher sind als andere. Will man nun die Quantentheorie aufs Universum anwenden, kommt man entsprechend zu dem Schluss, dass man alle möglichen Entwicklungen des Universums berücksichtigen müsste. Genau dies möchte Jean-Luc Lehners in seiner Arbeitsgruppe mittels neuer mathematischen Methoden tun. Die Fragen, die hierbei aufgeworfen werden, gehen an die Grenze unserer Vorstellungskraft: war im frühen Universum vielleicht mehr als eine mögliche Entwicklung ausschlaggebend, so dass man sich unser Universum als eine Art Überlagerung mehrerer „Universen” verbildlichen muss? Falls ja, konnten sich diese verschiedenen Entwicklungen gegenseitig beeinflussen? Und erlaubt die Quantentheorie Wege „um den Urknall herum“, welche in eine noch frühere Phase des Universums führen?
Dr. Jean-Luc Lehners (geb. 1978 in Luxemburg) studierte Physik und Mathematik am Imperial College in London und an der Universität Cambridge. Er schloss 2005 seine Promotion über ein Thema aus der Gravitationstheorie in London ab. Nach Postdoc-Stellen in Cambridge und Princeton kam der mit vielen Preisen ausgezeichnete Wissenschaftler im Dezember 2010 mit einem ERC Starting Grant ans Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und baute hier seine Arbeitsgruppe „Theoretische Kosmologie“ auf. Seit 2015 fördert die Max-Planck-Gesellschaft seine Arbeitsgruppe als Max-Planck-Forschungsgruppe. Mit den Fördermitteln des ERC Consolidator Grants wird die Forschung von Lehners bis zum Jahr 2023 finanziert.
Consolidator Grants
Mit den Consolidator Grants fördert der Europäische Forschungsrat exzellente junge Wissenschaftler*innen, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Für fünf Jahre unterstützt der ERC damit Projekte an europäischen Forschungseinrichtungen.
Im Jahr 2017 sind 2.538 Anträge auf ERC Consolidator Grants eingegangen, von denen 329 Projekte gefördert werden; die Erfolgsquote lag bei dieser Ausschreibung also bei 13%.