Merlin zaubert für Albert Einstein
Einladung zur Inbetriebnahme des Supercomputerclusters MERLIN in Anwesenheit der Brandenburgischen Wissenschaftsministerin Prof. Johanna Wanka
am 02.Juli 2003, 12:00 Uhr.
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Foyer), Am Mühlenberg 1, 14476 Golm
Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen könnte am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Golm bei Potsdam gelingen. Ab sofort steht der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft hier mit dem Supercomputercluster MERLIN der weltweit schnellste und einzige Rechnerverbund zur Verfügung, der ausschließlich der Suche nach Gravitationswellen gewidmet ist, die von Pulsaren ausgesendet werden. MERLIN wird die gigantischen Datenmengen des deutsch-britischen Gravitationswellendetektors GEO600 und im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit auch die Daten des amerikanischen LIGO-Projektes auswerten.
Astrophysiker gehen davon aus, dass sich mit dem direkten Nachweis von Gravitationswellen ein ganz neues Fenster zum Universum eröffnen wird: Die Beobachtung der bisher unzugänglichen Seiten des Weltalls (Schwarze Löcher, Dunkle Materie, Urknall) wird dann möglich werden.
Programm 02. Juli 2003
12:00 Begrüßung
Prof. Bernard Schutz, Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik
12:05 Grußwort
Prof. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft und Kultur in Brandenburg
12:15 Merlin and the first science run of the GEO600 and LIGO gravitational wave detectors
Dr. Maria Alessandra Papa, Leiterin der Arbeitsgruppe „Datenanalyse“ am AEI
12:25 Inbetriebnahme von MERLIN
Hintergrundinformationen
Gravitationswellen und Gravitationswellendetektoren
Gravitationswellen sind Änderungen in der Struktur der Raumzeit, die sich mit Lichtge-schwindigkeit ausbreiten. Nach den vielen mit Glanz bestandenen Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie ist es besonders diese Voraussage Albert Einsteins, die noch der Bestätigung durch einen direkten Nachweis harrt.
Gravitationswellen können mit Hilfe von hochempfindlichen Laserinterferometern direkt nachgewiesen werden. Weltweit sind derzeit fünf dieser völlig neuartigen Teleskope im Bau bzw. schon im Betrieb: Das vom AEI betreute deutsch-britische Projekt GEO600, LIGO in den USA (zwei Anlagen), VIRGO in Italien und TAMA in Japan. Geplant und zum Teil schon umgesetzt ist die Vernetzung der Detektoren. Werden Gravitationswellen gemessen, können dadurch auch Informationen über die Position der Quelle sowie die Zeitstruktur und Schwingungsrichtung der Wellen erhalten werden. Darüber hinaus wird Messfehlern vorgebeugt.
MERLIN
durchsucht die von den Detektorengelieferten Daten nach Signalen von Gravitationswellen. Der Supercomputercluster besteht aus 180 Computerknoten („nodes“) mit je zwei AMD Athlon™ MP Prozessoren.
„Wir sind stolz darauf, dass uns am Albert-Einstein-Institut mit MERLIN jetzt der weltweit schnellste und einzige Rechnerverbund zur Verfügung steht, der aus-schließlich der Suche nach Gravitationswellen gewidmet ist, die von Pulsaren ausgesendet werden. Damit kommen wir der Beobachtung der bisher unzugänglichen Seiten des Weltalls einen entscheidenden Schritt näher. Wir danken dem Brandenburgischen Wissenschaftsministerium herzlich für die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit!“, so Prof. Dr. Bernard F. Schutz, Geschäftsführender Direktor am Albert-Einstein-Institut.
„Das Besondere an MERLIN ist, dass im Gegensatz zu anderen Parallelrechnern die einzelnen nodes unabhängig voneinander die Daten auf Gravitationswellensignale hin untersuchen“, so Dr. Maria Alessandra Papa, unter deren Leitung das Design des Clusters von einer internationalen Arbeitsgruppe entwickelt wurde. Beim Entwurf des Clusters wurde weniger Wert auf eine schnelle Kommunikation zwischen den einzelnen nodes gelegt. Wichtig war stattdessen, dass die verschiedenen Knoten die Daten unabhängig voneinander – und damit effektiver - auswerten. Dies ermöglicht eine besondere, am AEI entwickelte, Software, die die Kommunikation zwischen den Knoten auf ein Minimum reduziert. Die erforderliche Netzwerkinfrastruktur konnte daher kostengünstig mit Standardelementen realisiert werden.
Technische Einzelheiten
• MERLIN umfasst 180 Knoten mit je zwei AMD Athlon MP Prozessoren 2200+ und 2600+.
• Spitzenleistung: 1330 Gigaflops (Giga = Milliarden; Flops: Floating Operations per Second = Gleitkommaoperationen pro Sekunde)
• Zum Vergleich: Die Cray 1 leistete im Jahr 1979 0,16 Gigaflops.
• Gesamtspeicherkapazität: 36 TeraByte (TB) (1 TB = 1012 Gigabyte/GB). Da alle Daten doppelt gespeichert werden (einfache Redundanz), stehen insgesamt 18 TB zur sicheren Datenspeicherung zur Verfügung. Damit kann das GEO600-Datenaufkommen von rund sechs Monaten gespeichert werden.
Bei laufendem Messbetrieb von GEO600 fallen täglich bis zu 90 GB Daten an, die via Internet ans AEI geleitet werden. Für den Dauerbetrieb ist eine hochleistungsfähige Direktverbindung zwischen dem Rechenzentrum in Hannover (RRZN) und dem Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) geplant. Hier werden die Daten gelagert, bis das AEI sie zur Analyse abruft. Parallel erhalten die Kooperationspartner an der Universität Cardiff alle Daten in Kopie.
Finanzierung von MERLIN
Die Gesamtkosten für MERLIN betragen rund 300.000 €.
Das Land Brandenburg finanzierte davon rund 44.700 €.
Interdisziplinäre Forschung am AEI: Simulation, Messung, Datenanalyse
Der Nachweis von Gravitationswellen kann nur durch eine enge Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen gelingen:
Die Experimentalphysiker arbeiten am Teilinstitut des AEI in Hannover. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universiät Hannover sowie den britischen Partnern aus den Universitäten von Glasgow und Cardiff bauen und betreiben sie den Gravitationswellendetektor GEO600 und sind verantwortlich für die Datenaufnahme.
Die Arbeitsgruppe „Numerische Relativitätstheorie“ am AEI in Golm versucht, die Entstehung von Gravitationswellen zu ergründen. Dafür simulieren sie auf Supercomputern z.B. Kollisionen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen. Diese Simulationen liefern Erkenntnisse über die mögliche Form der Signale, die GEO600 beim Durchgang einer Gravitationswelle aufzeichnen würde. So kann in den Detektordaten gezielt nach Signalen gesucht werden.
Diese Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen übernimmt Golmer Arbeitsgruppe „Gravitationswellen“. Sie entwickeln die mathematischen Werkzeuge, um die gigantischen Datenmengen nach interessanten Signalen zu durchsuchen. Die mathematischen Algorithmen werden laufend optimiert und der Charakteristik des Detektors angepasst, um die Chancen eine Gravitationswelle aufzuspüren, zu erhöhen. In der Datenanalyse von GEO600 und LIGO arbeiten weltweit rund 100 Wissenschaftler zusammen. Neben der Kommunikation per Internet stehen sie über wöchentliche Telefonkonferenzen miteinander in Verbindung. Etwa zweimal jährlich treffen sich die Experten, um grundlegende Fragen zu diskutieren. Spezielle Themen werden in Arbeitstreffen erörtert.
Kooperation zwischen AEI und ZIB
Zwischen dem Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) und dem AEI besteht seit vielen Jahren eine sehr erfolgreiche Forschungskooperation auf folgenden Gebieten:
- 3D-Visualisierung komplexer Simulationsergebnisse,
- verteiltes Datenmanagement im GEO600-Experiment,
- entfernte Steuerung von Hochleistungssimulationsprogrammen,
- Grid Computing im gemeinsamen EU-Projekt "GridLab".
In allen vier Projektbereichen ergänzt sich das Anwendungs-Know-how des AEI in idealer Weise mit dem ZIB-Expertenwissen im Hochleistungsrechnen. Beide Institute pflegen einen sehr engen Kontakt. Die technische Zusammenarbeit bei der sicheren Speicherung von Massendaten im ZIB-Datenroboter ist durch einen Kooperationsvertrag vereinbart, der die Nutzung von Hard- und Software sowie die dazugehörigen Personaldienste regelt.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI)
hat sich seit seiner Gründung 1995 als international führendes Forschungszentrum für Gravitationsphysik etabliert. Hier erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das gesamte Spektrum der Allgemeinen Relativitätstheorie, z.B. widmen sie sich der Entwicklung einer Theorie, die Quantenfeldtheorie und Allgemeine Relativitätstheorie vereint. Die Erforschung von Gravitationswellen, Schwarzen Löchern und der numerischen Lösung von Einsteins Gleichungen ist ein weiteres Arbeitsgebiet. Um den enormen theoretischen Schwierigkeiten der Relativitätsforschung zu begegnen, werden neue mathematische Methoden entwickelt. Schwerpunkt der experimentellen Arbeit ist die Entwicklung von Gravitationswellendetektoren auf der Erde und im Weltraum.