Verschmelzende Schwarze Löcher entdecken
Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis für Prof. Harald Pfeiffer
Am 18. März 2016 wird Harald Pfeiffer, Associate Professor am Canadian Institute for Theoretical Physics in Toronto, mit einem Bessel-Preis der Humboldt-Stiftung geehrt. Die Auszeichnung ermöglicht ihm einen Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Potsdam, wo er eng mit der Abteilung von Prof. Buonanno zusammenarbeiten wird. Forschungsthema ist die Berechnung von Gravitationswellen, die bei der Kollision Schwarzer Löcher entstehen.
Vor 100 Jahren sagte Albert Einstein die Existenz von Gravitationswellen voraus. Diese winzigen Wellen in Raum und Zeit entstehen, wenn Schwarze Löcher oder Neutronensterne kollidieren. Im September 2015 haben die LIGO-Detektoren zum ersten Mal Gravitationswellen auf der Erde gemessen. Die Wellen aus dem Weltraum stammen von zwei Schwarzen Löchern, die vor 1,3 Milliarden Lichtjahren in einer fernen Galaxie verschmolzen. Um die winzigen Wellen nachzuweisen und die Signale zu interpretieren, muss man die erwarteten Wellenformen genau kennen.
„Wir suchen gewissermaßen nach der Nadel im Heuhaufen, denn die Signale sind im Rauschen versteckt“, erklärt Pfeiffer. „Wenn wir wissen, wie die Nadel aussieht, haben wir eine bessere Chance, sie zu finden.“ Der Schwerpunkt von Pfeiffers Forschung zu Wellenformmodellen für die Gravitationswellen-Detektoren liegt auf numerischen Simulationen - er löst Einsteins Gleichungen auf Supercomputern. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern ist er nicht nur auf der Suche nach einer einzigen Nadel, sondern nach sehr vielen unterschiedlichen Nadeln: Doppelsternsysteme aus Schwarzen Löchern und/oder Neutronensternen verschiedener Massen und Drehimpulse, die unterschiedliche Signale erzeugen. Pfeiffers Forschung hilft nicht nur, Schwarze Löcher im Universum zu entdecken und ihre Größe bestimmen. Seine Berechnungen zeigen auch, wie sich die Raum-Zeit verhält, wenn sie durch Schwarze Löcher gekrümmt wird.
Pfeiffer, der bereits am AEI angekommen ist, wird bis Juli 2016 bleiben. „Es ist eine große Ehre, für einen Bessel-Preis der Humboldt-Stiftung ausgewählt zu werden“, sagt Pfeiffer. „Ich freue mich sehr über die Möglichkeit, für einen längeren Zeitraum am Albert-Einstein-Institut zu forschen. Hier verbindet sich wissenschaftliche Weltklasse mit einer einladenden und freundlichen Atmosphäre. Während meines Aufenthaltes werde ich gemeinsam mit der Abteilung von Prof. Buonanno die Kollision Schwarzer Löcher untersuchen. Ziel ist es, die Eigenschaften von Schwarzen Löchern zu bestimmen und Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu überprüfen.“
Helmut Schwarz, Präsident der Humboldt-Stiftung, wird die Auszeichnung am 18. März während eines Festakts beim 44. Symposium für Forschungspreisträger in Bamberg überreichen.
Harald Pfeiffer (Jahrgang 1974) studierte Physik in Bayreuth, Deutschland, und Cambridge, Großbritannien. Er promovierte 2003 an der Cornell University in Ithaca, USA. Die American Physical Society verlieh ihm den Nicholas Metropolis-Award für herausragende Abschlussarbeiten in Bereich Computer-Physik. Nach einem Postdoktorat am California Institute of Technology in Pasadena wurde er mit dem Canada Research Chair in Numerischer Relativitätstheorie und Gravitationswellen-Astrophysik ausgezeichnet und wurde 2009 Fakultätsmitglied am Canadian Institute for Theoretical Physics in Toronto. Pfeiffer ist Mitglied des Canadian Institute for Advanced Research. Er erhielt 2014 den Ontario Early Researcher Award und wurde im selben Jahr zum Associate Professor am Canadian Institute for Theoretical Physics berufen.
Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis
Die Humboldt-Stiftung verleiht jährlich ca. 20 Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreise an international anerkannte Wissenschaftler aus dem Ausland. Die Preisträger werden für ihre herausragenden Forschungsleistungen ausgezeichnet. Sie sind eingeladen, für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr selbst gewählte Forschungsvorhaben in Deutschland in Kooperation mit Fachkollegen durchzuführen. Das Preisgeld beträgt 45.000 €.
Hintergrund: Modellierung von Gravitationswellen-Quellen
Wenn sich kompakte, massereiche Objekte wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne annähernd mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, strahlen sie Gravitationswellen ab, die charakteristische Informationen mit sich tragen. Bodengestützte interferometrische Detektoren auf der ganzen Welt sollen diese Wellen messen, um Einsteins Relativitätstheorie bestätigen und um Schwarze Löcher, Neutronensterne und andere Phänomene im Universum zu beobachten, die Gravitationswellen erzeugen. Aber die Messung ist keine triviale Aufgabe: Die erwarteten Signale sind schwach und im Rauschen der Detektoren versteckt. Um sie im Rauschen zu erkennen müssen genaue Wellenformen für die verschiedenen astrophysikalischen Quellen vorhergesagt werden. Pfeiffer berechnet Gravitationswellen mit numerischen Simulationen auf Supercomputern wie dem Datura Computer-Cluster am AEI. Er und seine Kooperationspartner haben den Spectral Einstein-Code (SpEC) entwickelt, eine flexible Infrastruktur zur Lösung partieller Differentialgleichungen. SpEC wird hauptsächlich für die Simulation kompakter binärer Objekte verwendet. SpEC ist einer der genauesten und effizientesten Codes zur Berechnung der Gravitationswellenformen sich umkreisender und verschmelzender Schwarzer Löcher. Diese genauen Wellenformen dienen als Schablonen für die Suche in den Detektordaten.