Besser hören mit verteilten Ohren

Ein Observatorium in Japan, Australien oder Indien würde die Wahrscheinlichkeit, Gravitationswellen zu messen, dramatisch erhöhen

27. Mai 2011

Detektoren in den USA, Deutschland und Italien liegen auf der Lauer, um einem von Albert Einsteins letzten Geheimnissen auf die Spur zu kommen: Gravitationswellen. Bisher gelang es nicht, diese Krümmungen der Raumzeit direkt nachzuweisen. Würden die vorhandenen Detektoren jedoch anders über die Erde verteilt, stiegen die Chancen um mehr als das Doppelte. Zu diesem Ergebnis kommt Bernard F. Schutz, Direktor am Golmer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut), in einer neuen Studie. Und eine weitere Verbesserung ließe sich mit dem Bau zusätzlicher Gravitationswellen-Observatorien erzielen.

Zur Untersuchung des Universums stehen uns viele Methoden zur Verfügung, die fast alle auf der Analyse elektromagnetischer Strahlung aus dem All beruhen. Wir betrachten sozusagen Fotos aus verschiedenen Zeiten, die bei unterschiedlichen Wellenlängen aufgenommen wurden. Würden wir auch unsere Ohren benutzen, so würde sich unser Wahrnehmungsspektrum erheblich erweitern, denn für verschiedene Phänomene sind die klassischen Methoden blind.

So künden Gravitationswellen von Sternexplosionen, vom Zusammenprall Schwarzer Löcher und Neutronensterne und sogar vom Urknall. Ihre Frequenzen liegen nicht im elektromagnetischen, sondern im akustischen Bereich. Diese Dellen in der Raumzeit bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit und bringen das Universum zum Klingen.

In Deutschland (GEO600), an zwei Orten in den USA (LIGO) und in Italien (Virgo) haben die Forscher bereits Teleskopohren für den Nachweis von Gravitationswellen gebaut, die in einem Netzwerk gemeinsam messen und die Daten auswerten. Die Observatorien in den USA und Italien werden nun für den ersten direkten Nachweis ausgerüstet und sollen vom Jahr 2016 an erneut mit den Messungen beginnen – mit zehnfach verbesserter Empfindlichkeit.

Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dann jährlich im Durchschnitt 40 verschmelzende Neutronensterne oder Schwarze Löcher beobachten zu können. Nun zeigt die Untersuchung von Bernard F. Schutz, dass bei optimaler Datenanalyse diese Rate theoretisch sogar bei 160 solchen Ereignissen pro Jahr liegt. Mit der derzeitigen räumlichen Anordnung der Detektoren ist das allerdings nicht zu schaffen; vielmehr wird ein Messinstrument auf der anderen Seite der Erde benötigt – sozusagen ein Ohr am Hinterkopf.

Die Messempfindlichkeit eines Detektoren-Netzwerks hängt von der Empfindlichkeit der einzelnen Detektoren und deren Position auf der Erde ab. In seiner Studie zeigt Bernard F. Schutz, wie diese Beziehung für jedes beliebige Netzwerk durch drei Zahlen charakterisiert werden kann:

  1. die Entfernung, aus der die Gravitationswellen-Quelle am Himmel vom einzelnen Detektor wahrgenommen werden kann,
  2. das kleinste Signal-Rausch-Verhältnis, bei dem ein Gravitationswellen-Nachweis gerade noch möglich ist und
  3. die geometrische Anordnung der Detektoren im Netzwerk.

„Schon die Verlagerung eines der bereits vorhandenen LIGO-Instrumente aus den USA nach Australien würde die Detektionsrate um das Zwei- bis Vierfache steigern und viel genauere Informationen über die Ereignisse liefern“, sagt Schutz. Nehmen – wie geplant – in Japan, Australien und Indien Gravitationswellen-Detektoren den Messbetrieb auf, so werden die Wissenschaftler jährlich etwa 370 astronomische Ereignisse beobachten können; eine Zahl, die im Routinemessbetrieb sogar auf 500 pro Jahr steigen soll. Dabei wird die Messgenauigkeit im Vergleich zur notwendigen Investition überproportional verbessert.

„Ein neuer Gravitationswellen-Detektor in Japan, dessen Bau vergangenes Jahr beschlossen wurde, würde die Empfindlichkeit und Verlässlichkeit des Detektor-Netzwerks weiter steigern und darüber hinaus könnte ein größerer Teil des Himmels beobachtet werden“, so Schutz. „Wir wären dann nicht nur sicherer als je zuvor, Einsteins Wellen direkt zu messen, sondern würden auch vollkommen neuartige Informationen über Neutronensterne und Gammastrahlenblitze erhalten. Das wäre der Beginn einer ganz neuen Astronomie.“

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