String-Theorie

String-Theorie

Die Unvereinbarkeit von lokaler Quantenfeld-Theorie und Allgemeiner Relativitätstheorie ist eines der großen offenen Probleme der theoretischen Physik. Die String-Theorie ist ein Versuch, dieses Problem zu lösen. Ursprünglich als Theorie der starken Wechselwirkungen formuliert - eine Methode, der ausufernden beobachteten hadronischen Resonanzen Herr zu werden - wurde bald entdeckt, dass die Theorie immer eine masselose Spin-2-Anregung enthält, die als Quant der Gravitationswechselwirkung interpretiert werden kann, als Graviton.

Aber das Graviton ist nicht die einzige Anregung des (geschlossenen) Strings. Es gibt eine unendliche Zahl von ihnen, und die masselosen können als nicht-abelsche Eichbosonen und masselose Fermionen interpretiert werden. Auf diese Weise liefert die String-Theorie eine Vereinheitlichung aller Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen. Da sie als Quantentheorie formuliert ist, schafft sie die Vereinigung von Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantentheorie, wenn auch nicht im Rahmen der lokalen Quantenfeld-Theorie. Letztere entsteht als effektive Beschreibung bei niedriger Energie der masselosen Anregungsmoden des Strings.

Obwohl es sich nach unserem besten Wissen um eine konsistente Theorie handelt, ist die entscheidende Frage, ob die Natur diese Möglichkeit gewählt hat, die Quantentheorie mit der Schwerkraft in Einklang zu bringen. Die String-Theorie macht viele Aussagen nachträglich, wie die Existenz der Gravitation, aber sie macht auch viele Voraussagen, wie z.B. unendlich viele massive Anregungen oder Korrekturen zu Einsteins Gravitationstheorie. Leider erfordert die Überprüfung dieser Aussagen Energien, die in Experimenten unerreichbar um mehrere Größenordnungen zu hoch sind. Die charakteristische Energieskala ist die Planck-Skala, die wesentlich für die Gravitationswechselwirkung ist, und jede alternative Theorie der Quantengravitation muss sich dem Problem ihrer Nachweisbarkeit stellen.

Während der letzten 15 Jahre ist klar geworden, dass mit der String-Theorie der Traum von der endgültigen Theorie wahr geworden sein könnte, aber sie könnte auch, ähnlich wie in der Quantenfeld-Theorie, als Rahmen dienen, in dem physikalische Fragen formuliert und beantwortet werden können. Dies ist als AdS/CFT-Korrespondenz bekannt oder allgemeiner als Eich/Gravitations-Dualität oder noch allgemeiner als holographisches Prinzip. Es sagt im Wesentlichen aus, dass eine Feldtheorie ohne Gravitation in einer d-dimensionalen Raumzeit eine alternative (duale) Beschreibung als String-Theorie in d+1 Dimensionen besitzt. Dieser Unterschied in den Dimensionen macht die Dualität holographisch. Mit bestimmten Beispielen kann dies deutlich gemacht werden. Diese Entwicklungen haben zu sehr schönen Resultaten geführt, z.B. in der Hydrodynamik, wo das Verhältnis gewisser Fließparameter berechnet werden kann, indem man die duale Beschreibung als höherdimensionale klassische Gravitationstheorie verwendet (als nieder-energetische effektive Beschreibung der String-Theorie aufgefasst). Andere Resultate aus dieser Entwicklung sind die analytische Berechnung des Quark-Antiquark-Potentials in QCD-ähnlichen Theorien. Es ist andererseits auch richtig, dass die String-Theorie, die in gewisser Hinsicht einzigartig ist, vorschreibt, welche Feldtheorien für solche dualen oder holographischen Beschreibungen verwendet werden dürfen. Zum Beispiel hat man die duale Beschreibung der QCD, der Theorie der starken Wechselwirkungen, welche die Welt der Hadronen bestimmt, bis jetzt noch nicht gefunden.

Eine grundlegende Frage, die im Rahmen der String-Theorie beantwortet werden kann, ist folgende: Wie sieht die Geometrie der Raumzeit aus? Im Großen gibt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie auf diese Frage eine präzise und gut getestete Antwort: Die Raumzeit-Geometrie und die Materiefelder im Hintergrund gehorchen Einsteins Gleichungen. Die Struktur der Raumzeit auf mikroskopischen Skalen bleibt dagegen mysteriös, und die meisten Annäherungen zur Quantengravitation legen nahe, dass auf Skalen nahe der Planck-Länge von 10-35 cm die üblichen Vorstellungen der Raumzeit-Geometrie, die auf Mannigfaltigkeiten einer festen Topologie und Testmassen, die sich auf Geodäten bewegen, keine brauchbare Beschreibung liefern wird. Bedeutet dies, dass wir zur Beschreibung der mikroskopischen Struktur der Raumzeit auf unsere ausgefeilten geometrischen Werkzeuge und hart erarbeiteten Erkenntnisse verzichten müssen Letztendlich mag das der Fall sein. Wegen der Nützlichkeit dieser Werkzeuge und wegen des Mangels an Ersatz, muss man jedoch behutsam sein und beurteilen, welche geometrischen Aspekte als sicher einzustufen sind, welche modifiziert werden und welche endgültig aufgegeben werden müssen. In der String-Theorie laufen die entsprechenden Ideen unter der Bezeichnung „stringy geometry“.

Bei der Einschätzung der String-Theorie sollte man im Hinterkopf behalten, dass sie zu einer Reihe interessanter Entwicklungen in Physik und Mathematik geführt hat (letztere wurden hier nicht angesprochen). So spielte sie eine hervorragende Rolle in der theoretischen und mathematischen Physik der vergangenen 40 Jahre und wird dies auch in Zukunft tun. Selbst wenn ihre Rolle als Quantentheorie der Gravitation nicht endgültig, d.h. experimentell, bewiesen werden kann, hat sie doch unseren Horizont erweitert, was die Formulierung und das Studium physikalischer Systeme anbetrifft.

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