Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik feiert Jubiläum
30 Jahre Spitzenforschung zu Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie
Heute begeht das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) sein 30-jähriges Jubiläum. Mit einem umfangreichen Programm aus Grußworten, Vorträgen und Podiumsdiskussionen werden Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Instituts beleuchtet. Den Festvortrag am Nachmittag hält der Physiknobelpreisträger Kip Thorne vom California Institute of Technology.
Zu der ganztägigen Veranstaltung im Potsdam Science Park werden ehemalige Mitarbeitende und Kooperationspartner aus der ganzen Welt erwartet. Die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Manja Schüle, hält ein Grußwort anlässlich des Festaktes. „Wer das Unbekannte erkunden, die Grenzen des Wissens erweitern und vielleicht auch die Phantasie beflügeln will, ist am Albert-Einstein-Institut seit 30 Jahren an der richtigen Adresse“, sagt die Ministerin. „Die Potsdamer Forschungsstätte hat sich buchstäblich zu einem Gravitationszentrum für den weltweiten Wissenschaftsaustausch auf dem Gebiet der Gravitationsphysik entwickelt. Es sind die ganz großen Fragen um die Entstehung unseres Universums, die am AEI erforscht werden – und die den Wissenschaftsstandort Brandenburg so bereichern. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!“
Weitere Grußworte sprechen der ehemalige Vorsitzende des Fachbeirats, Craig Hogan, und Wilhelm Krull, Vorsitzender des Kuratoriums des Instituts.
Das vollständige Programm mit allen Vorträgen und Diskussionen finden Sie hier.
Meilensteine der Forschung
Das Institut mit Standorten in Potsdam und Hannover ist eine weltweit führende Forschungseinrichtung zur Allgemeinen Relativitätstheorie und darüber hinausgehenden Themen. Das Forschungsspektrum umfasst die Entwicklung einer Theorie, die Quantenfeldtheorie und Allgemeine Relativitätstheorie vereint, die Erforschung von Gravitationswellen, Neutronensternen und Schwarzen Löchern, analytische und numerische Lösungen von Einsteins Gleichungen, die Analyse von Daten aus der Gravitationswellen-Detektoren mit höchst effizienten Methoden und die Entwicklung und den Betrieb von Gravitationswellen-Detektoren auf der Erde und im Weltraum.
In der 30-jährigen Geschichte des AEI waren dessen internationale Forschende an einer Vielzahl entscheidender Meilensteine beteiligt, die die internationale Landschaft der Wissenschaft nachhaltig prägten.
Bei der Suche nach einer mathematisch konsistenten Beschreibung der Quantengravitation haben die Wissenschaftler*innen des Instituts zur Entwicklung aller Hauptrichtungen der aktuellen Forschung beigetragen und neuartige Ideen entwickelt, um die Schwierigkeiten existierender Ansätze zu überwinden.
AEI-Wissenschaftler*innen haben das grundlegende Fundament von Einsteins Theorie erforscht, um so die mathematische Beschreibung der Gravitation, das Verständnis der Geometrie der Raumzeit, von kosmologischen Modellen und von den Prinzipien numerischer Methoden zu verbessern.
Der erstmalige Nachweis von Gravitationswellen einer Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher am 14. September 2015 war der Startschuss für eine neue Astronomie, die unseren Blick auf das Universum nachhaltig veränderte. Forschende des Instituts haben signifikante Beiträge zu diesem nobelpreisgekrönten Durchbruch geleistet: mit der Entwicklung hochgenauer Wellenformmodelle, um das Signal aufzuspüren und astrophysikalische Information daraus zu gewinnen, mit extrem empfindlichen Detektoren und mit innovativen und effizienten Methoden der Datenanalyse. Durch Teilnahme an dem Citizen-Science-Projekt Einstein@Home kann sich auch die Öffentlichkeit an der Suche nach astronomischen Signalen beteiligen.
Die Wissenschaftler*innen des AEI gestalten nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft des Feldes mit zentralen Beiträgen zur Beobachtung und Interpretation von Hunderten von Gravitationswellen-Signalen, die weiterhin von der LIGO-Virgo-KAGRA-Kollaboration gemessen werden, zum geplanten europäischen Einstein-Teleskop und zum US-amerikanischen Cosmic Explorer, zur Weltraummission LISA und zu mehreren Pulsar Timing Arrays.
Der Erfolg der Satelliten-Testmission LISA Pathfinder ebnete den Weg für LISA, das Gravitationswellen-Observatorium im All. LISA soll als ESA-Mission mit wichtigen Beiträgen der NASA Mitte der 2030er Jahre starten und Gravitationswellen niedriger Frequenzen beobachten, die auf der Erde unerreichbar sind. Forschende des Instituts spielen seit jeher eine führende Rolle in der Entwicklung experimenteller und theoretischer Aspekte dieser Mission und ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse.
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung am AEI sind aufwändige numerische Simulationen extremer astrophysikalischer Ereignisse, um daraus Vorhersagen für die Multi-Messenger-Astronomie, also die Beobachtung verschiedener Signale von derselben Quelle, abzuleiten.
AEI-Wissenschaftler*innen befassen sich zudem mit der Fundamentalphysik. Mit Methoden der theoretischen und der experimentellen Physik suchen sie nach neuen Erklärungen für das Wesen der noch immer rätselhaften Dunklen Materie.
Zur Geschichte des Instituts
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Netzwerk der Max-Planck-Institute auf die neuen Bundesländer ausgedehnt. Auch in Brandenburg wurden Max-Planck-Institute gegründet. Jürgen Ehlers (1929–2008), damals Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München, initiierte die Gründung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam. Es nahm am 1. April 1995 mit den beiden Gründungsdirektoren Jürgen Ehlers (Abteilung Mathematische Relativitätstheorie) und Bernard Schutz (Abteilung Astrophysikalische Relativitätstheorie) sowie einer Handvoll Mitarbeitenden die Arbeit auf. Ab 1997 kam auch Hermann Nicolai als Direktor der Abteilung Quantengravitation und Vereinheitlichte Theorien hinzu. Nach den ersten Jahren im Haus der Wirtschaft in Potsdam-Babelsberg zog das Institut 1999 in das neu errichtete Gebäude im Wissenschaftspark Golm (heute: Potsdam Science Park).
Im Jahr 2002 kam mit Gerhard Huisken ein weiterer Direktor an das Institut. Bis zu seiner Berufung ans Mathematische Forschungsinstitut in Oberwolfach im Jahr 2013 leitete er die Abteilung Geometrische Analysis und Gravitation. Nach der Emeritierung von Bernard Schutz wurde Alessandra Buonanno 2014 als Direktorin berufen. Sie leitet die Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie. Im Jahr 2018 gründete Masaru Shibata die Abteilung Numerische und Relativistische Astrophysik. Derzeit laufen Verhandlungen über die Berufung einer neuen Direktorin oder eines neuen Direktors, da Hermann Nicolai 2020 emeritiert wurde.
Seit 2002 gehört ein Teilinstitut in Hannover zum AEI, das seit seiner Gründung eng mit dem Institut für Gravitationsphysik Leibniz Universität Hannover zusammenarbeitet. Karsten Danzmann, seinerzeit Direktor des Instituts für Atom- und Molekülphysik, übernahm 2002 die Leitung der Abteilung Laserinterferometrie und Gravitationswellen-Astronomie am Max-Planck-Institut. 2007 kam Bruce Allen als Direktor der Abteilung Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie ans Teilinstitut in Hannover. 2022 nahm mit Guido Müller ein dritter Direktor dort die Arbeit auf. Er leitet die Abteilung Präzisionsinterferometrie und fundamentale Wechselwirkungen.
Neben den von Direktor*innen geleiteten Abteilungen gab und gibt es unabhängige Forschungsgruppen an beiden Institutsteilen. Am Standort Hannover forschen derzeit die permanente unabhängige Forschungsgruppe Kontinuierliche Gravitationswellen unter der Leitung von M. Alessandra Papa sowie die von Frank Ohme geleitete Max-Planck-Forschungsgruppe Beobachtung und Simulation von kollidierenden Binärsystemen. In Potsdam leitet Tim Dietrich die Max-Planck-Fellow-Gruppe Multi-Messenger-Astrophysik kompakter Binärsysteme.