Von Kindheitsfragen zur Wissenschaft

Interview mit der ehemaligen Doktorandin und Nachwuchswissenschaftlerin Yoshinta Setyawati

22. November 2021

Im vergangenen Jahr war Yoshinta Setyawati ähnlich wie ein quantenmechanisches Teilchen in zwei sich überlagernden Zuständen: Im Schlussspurt ihrer Promotion in der unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe „Beobachtung und Simulation von kollidierenden Binärsystemen“ und zugleich am Anfang ihres ersten Postdocs an der Universität Utrecht. Im Interview erzählt sie von ihrer Forschung zu Gravitationswellenformen und über das, was sie antreibt.

Yoshinta Setyawati, warum sind Sie Physikerin geworden?

Ich mag Physik, bin neugierig und brauche Herausforderungen, um an ihnen zu wachsen. Schon als Kind träumte ich davon, Wissenschaftlerin zu werden. Die vielen Geschichten um die großen Fragen unseres Universums weckten mein Interesse für Physik: Was sind schwarze Löcher und kann sich etwas schneller als das Licht bewegen? In meiner Heimat Indonesien ist die physikalische Forschung jedoch nicht gut ausgebaut. Eine Herausforderung, die mich umso mehr motivierte Physik am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik zu studieren, einem der führenden Institute auf diesem Gebiet.

Woran forschen Sie?

Ich beschäftige mich mit der Analyse von Gravitationswellendaten. Mit dem ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2015 erhielten Wissenschaftler:innen große Möglichkeiten, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu überprüfen. Da wir immer mehr Gravitationswellen beobachten – im Moment kennen wir 90 – lernen wir auch mehr und werden immer präziser. Mit dieser Anzahl von Signalen können wir die allgemeine Relativitätstheorie aus vielen verschiedenen Blickwinkeln testen.

Was machen Sie dabei genau?

Ganz konkret verbessere ich die theoretische Modellierung von Gravitationswellenformen. Mit diesen theoretischen Vorhersagen analysieren wir die Daten der Gravitationswellendetektoren, um echte Signale von zufälligem Rauschen zu unterscheiden. Da die Nachweise von diesen theoretischen Modellierungen abhängen, arbeiten kontinuierlich viele verschiedene Wissenschaftler:innen daran, diesen Prozess zu verbessern. Als Doktorandin am MPI in Hannover war ich auch an dieser gemeinsamen Arbeit für die derzeitigen Detektoren LIGO, Virgo und KAGRA beteiligt. Dabei konzentrierte ich mich darauf, wie man die Wellenformen schneller aus der Theorie errechnen kann und untersuchte, wie Gravitationswellen aussehen, wenn ihre Quellen einige zusätzliche Eigenschaften hätten.

Jetzt, an der Universität Utrecht, arbeite ich immer noch an den Gravitationswellenmodellen, aber mit einem neuen Schwerpunkt. Anstatt die Datenanalyse für die derzeit arbeitenden Detektoren zu verbessern, untersuche ich, wie man diese Methoden für zukünftige Gravitationswellendetektoren optimieren kann. Diese werden noch empfindlicher sein und Signale von weiter entfernten Galaxien messen. Um deren unglaubliches Potenzial auch auszuschöpfen, denken wir bereits heute über Methoden nach, wie wir unsere Strategien zukunftsfähig machen können.

Was bleibt Ihnen aus Ihrer Promotionszeit am meisten in Erinnerung?

Weniger ein besonderer Moment, sondern mehr eine Vielzahl positiver Begegnungen. Beispielsweise prägen Konferenzen meinen wissenschaftlichen Werdegang, sie motivieren und inspirieren mich zu neuen Projekten. Auf solchen Konferenzen kann ich von verschiedenen Menschen lernen und mit einem breiten Publikum diskutieren. Besonders gern erinnere mich an eine Konferenz der LIGO Scientific Collaboration. Es war das erste Mal, dass ich ein Poster präsentierte und gewann sogleich einen Posterpreis – eigentlich wenig überraschend, dass ich das in guter Erinnerung behalten habe!

Ebenfalls erinnere ich mich gerne an meinen Besuch des Gravitationswellendetektors GEO600 in Hannover. Es war faszinierend, einen der Detektoren tatsächlich zu besichtigen. Vor Ort führte mich ein Doktorand durch die Anlage und gab mir einen Einblick hinter die Kulissen.

Während meines Studiums arbeitete ich zudem mit anderen Doktorand:innen in einer Vorlesungswoche der International Max Planck Research School zusammen. Das Promotionsprogramm brachte verschiedene Doktorand:innen zusammen: Experimentell arbeitende Forschende und solche wie mich, die Daten analysieren. Gemeinsam arbeiteten wir an einem Projekt über zukünftige Detektoren. Wie können wir sie verbessern? Welche Arten von Gravitationswellenquellen könnten wir mit empfindlicheren Geräten „sehen“?

Letztendlich ist die Arbeit als Gravitationswellenforscherin eine einzigartige Gelegenheit. Es ist sehr herausfordernd, neue Modelle zu entwickeln, die auch tatsächlich besser sind als die bestehenden. Ich genieße diesen Forschungsprozess – Fachliteratur zu lesen, die Probleme zu verstehen und meine Lösungen zu programmieren. Dieser Hang zur Perfektion ist auch das, was mich morgens aufstehen lässt. Manchmal schlafe ich sogar nur ein paar Stunden, weil ich es kaum erwarten kann, weiterzumachen.

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