Neue Methoden für die kommenden Herausforderungen der Gravitationswellen-Forschung

Lorenzo Speri wurde mit dem GWIC-Braccini-Thesis-Preis ausgezeichnet.

30. Oktober 2025

Lorenzo Speri, ehemaliger Doktorand in der Abteilung für Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) im Potsdam Science Park, hat für seine Doktorarbeit einen internationalen Preis gewonnen. Er hat statistische und rechnerische Methoden zur Messung und Interpretation der Gravitationswellen-Signale entwickelt, die aktuelle und zukünftige Observatorien beobachten sollen. Dabei hat er insbesondere den Nanohertzbereich untersucht, den Pulsar-Timing-Arrays beobachten, und den Millihertzbereich, den die weltraumgestützte LISA-Mission ins Visier nehmen wird. Die Auszeichnung ist mit einer Urkunde und einem Preisgeld in Höhe von 1.000 US-Dollar verbunden.

Die Gravitationswellen-Astronomie hat ein immenses Potenzial, um wichtige Fragen der Astrophysik und der Fundamentalphysik zu beantworten. Zukünftige Beobachtungen des Weltraum-Detektors LISA in Kombination mit aktuellen Daten von Pulsar-Timing-Arrays (PTAs) werden ganz neue Einblicke in Schwarze Löcher, die Entwicklung von Galaxien und die Fundamentalphysik ermöglichen. Speris Dissertation hat einen bedeutenden Beitrag zu diesem Forschungsgebiet geleistet, weil sie sich mit entscheidenden Fragestellungen der Berechnung und Analyse von Gravitationswellensignalen im Millihertz- (LISA) und Nanohertz- (PTA) Frequenzband befasst.

„Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung, die eine große Ehre für mich ist“, sagt Speri, der derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) tätig ist. „Eines der Themen, mit denen ich mich in meiner Dissertation beschäftigt habe, sind Systeme, in denen ein kompaktes Objekt mit Sternmasse ein sehr viel massereicheres Schwarzes Loch umkreist und schließlich damit verschmilzt. Diese sogenannten Extreme Mass-Ratio Inspirals (EMRIs) bieten einzigartige Möglichkeiten, die Gravitation starker Felder und die Umgebung von Schwarzen Löchern zu untersuchen. Ihre komplexen Wellenformen erfordern allerdings rechenintensive Analysen.“ Um diese Herausforderung zu bewältigen, hat Speri an der Entwicklung eines neuen Instrumentariums mitgewirkt. Mit diesem lassen sich die vom Doppelsystem abgestrahlten Gravitationswellen schnell vorhersagen und seine Eigenschaften ermitteln. Darüber hinaus hat seine Dissertation Pionierarbeit bei der genauen Untersuchung davon geleistet, wie sich Umgebungsbedingungen wie Akkretionsscheiben, auf EMRI-Signale auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Aspekte zwar wertvolle Einblicke in die Physik von Akkretionsscheiben liefern können. Gleichzeitig können sie jedoch auch die Bestimmung der Eigenschaften des Systems erheblich verfälschen, wenn sie nicht richtig berücksichtigt werden. Sie können sogar scheinbare Abweichungen von der allgemeinen Relativitätstheorie vortäuschen. Die Studie hat den Grundstein für die zukünftige Erforschung der Umgebung von Schwarzen Löchern und ihrer astrophysikalischen Bedeutung gelegt.

Von EMRI zu EPTA

Neben den EMRIs konzentrierte sich Speri auf Gravitationswellen im Nanohertzbereich, die Pulsar-Timing-Arrays beobachten. Er entwickelte eine neuartige Methode um Pulsare zu klassifizieren. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Pulsare für die zweite Datenveröffentlichung des European Pulsar Timing Array (EPTA). Speris Dissertation hat zudem einen Beitrag zur Analyse des stochastischen Gravitationswellen-Hintergrunds und zur Suche nach einzelnen Doppelsystemen extrem massereicher Schwarzer Löcher geleistet. Damit spielte seine Studie eine Schlüsselrolle bei der zweiten Datenveröffentlichung des EPTA und bei der Verfeinerung von Strategien für zukünftige PTA-Beobachtungen.

Der Preisträger

Lorenzo Speri erwarb 2018 seinen Bachelor-Abschluss in Physik an der Universität Trient in Italien. Im Rahmen des Erasmus+-Programms studierte er außerdem an der Universität Oslo. Im Jahr 2020 schloss er sein Masterstudium in Theoretischer Physik an der Universität Heidelberg ab. Von 2020 bis 2024 fertigte er am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, betreut von Jonathan Gair, Gruppenleiter in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie, seine Doktorarbeit an. Nach Abschluss seiner Promotion an der Humboldt-Universität Berlin wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Europäischen Weltraumorganisation. Bei der ESA arbeitet er an der Entwicklung der Datenanalyse-Infrastruktur für die LISA-Mission mit und koordiniert die interdisziplinäre Forschung zwischen Gravitationswellen-Forschung und statistischer Methodik.

Der GWIC-Braccini-Thesis-Preis

Das Gravitational Wave International Committee (GWIC) und die Friends of Stefano Braccini verleihen jährlich einen Preis für herausragende Doktorarbeiten auf dem Gebiet der Gravitationswellen, den GWIC-Braccini-Thesis-Preis. Die Arbeiten werden nach Originalität und Kreativität der Forschung, ihrer Bedeutung für den Bereich der Gravitationswellen und deren Beobachtung sowie der Klarheit der Darstellung bewertet. Gewinner*innen erhalten eine Anerkennungsurkunde und ein Preisgeld in Höhe von 1.000 US-Dollar. Speris Dissertation wurde aus rund zwei Dutzend Nominierungen ausgewählt.

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