Eines der grundlegendsten Probleme der allgemeinen Relativitätstheorie
Vom 20. bis 22. Oktober 2025 treffen sich internationale Expert*innen am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam, um die Geschichte und Entwicklung des relativistischen Zwei-Körper-Problems zu untersuchen.
Vor etwas mehr als 50 Jahren bewies die Entdeckung des Hulse-Taylor-Pulsars die Existenz von Gravitationswellen. Seitdem gab es bedeutende Fortschritte, die 2015 in der ersten Messung von Gravitationswellen gipfelten. Die LIGO- und Virgo-Kollaboration wies diese bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher abgestrahlten Wellen nach. Dieser Fortschritt ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von analytischen, numerischen und experimentellen Entwicklungen. Der Workshop „In Pursuit of Gravitational Waves: Solving the Two-Body Problem in General Relativity ” bringt führende Physiker*innen, Historiker*innen und Philosoph*innen zusammen, um die historischen, konzeptionellen und methodologischen Entwicklungen zu untersuchen, die die Evolution einer der tiefgreifendsten Herausforderungen der allgemeinen Relativitätstheorie geprägt haben: das relativistische Zwei-Körper-Problem.
„Wir wollen untersuchen, wie sich analytisch- und numerisch-relativistische Methoden im Laufe der Zeit entwickelt haben, wie sie einander beeinflusst und zur Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2015 beigetragen haben”, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) im Potsdam Science Park. „Der Workshop bietet die Gelegenheit, über die Methoden, konzeptionellen Herausforderungen und umfassenden Zusammenhänge nachzudenken, die diese bemerkenswerte wissenschaftliche Reise geprägt haben.“
Jean-Philippe Martinez, Balzan-Fellow für Geschichte und Philosophie der Physik am AEI und einer der Organisatoren des Workshops, fügt hinzu: „Wir hoffen, Aufschluss darüber zu geben, wie unterschiedliche Forschungstraditionen, institutionelle Rahmenbedingungen und Kooperationsdynamiken die Entwicklung des Fachgebiets geprägt haben und auch heute noch dessen Ausrichtung beeinflussen.“
Das relativistische Zwei-Körper-Problem
Beim Zwei-Körper-Problem der allgemeinen Relativitätstheorie geht es darum, die dynamische Entwicklung zweier massereicher Objekte – wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne – zu bestimmen, die sich gegenseitig durch Schwerkraft beeinflussen und dabei Gravitationswellen aussenden. Diese Wellen tragen Informationen über die Eigenschaften des Systems und ermöglichen es Forschenden, wichtige astrophysikalische Parameter wie Massen, Drehimpulse und Gezeitenverformbarkeiten zu ermitteln, insbesondere zum Ende des gegenseitigen Umkreisens und während der Verschmelzung und der Abkling-Phase. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Schwerkraft als Krümmung der Raumzeit, die durch die nichtlinearen Einsteinschen Feldgleichungen bestimmt wird. Aufgrund dieser Nichtlinearität lassen sich in der Regel keine exakten analytischen Lösungen erzielen und es gibt nur Nährungen oder Lösungen für Sonderfälle. Diese Einschränkung überwinden numerisch-relativistische Simulationen auf Hochleistungs-Supercomputern, die hochpräzise Lösungen liefern. Dabei werden die komplexen Einstein-Gleichungen in einer dynamischen Umgebung gelöst. Diese Simulationen sind jedoch rechenintensiv und ressourcenaufwendig. Daher ist ein synergetischer Ansatz, der analytische und numerische Relativitätstheorie kombiniert, unverzichtbar geworden. Gemeinsam ermöglichen diese Methoden die Erstellung präziser Wellenformmodelle. Diese sind für den Nachweis von Gravitationswellen-Signalen unerlässlich und um ihre Bedeutung in der Astrophysik, der Kosmologie und der Fundamentalphysik zu ermitteln.
Der Erfolg der Gravitationswellenastronomie
Am 14. September 2015 gelang dem Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) mit GW150914 der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher entstanden waren. Dies stellt einen historischen Meilenstein in der Physik und Astronomie dar. Seitdem können wir dank kontinuierlicher Fortschritte das Universum mithilfe von Gravitationswellen deutlich besser beobachten. Zu diesen zählen Verbesserungen der Empfindlichkeit der Detektoren, der Modellierung ausgefeilter Wellenformen und der leistungsstarken Datenanalysetechniken. Bis heute wurden in mehreren Messkampagnen über 300 Verschmelzungen von Paaren massereicher Objekte – hauptsächlich von Schwarzen Löchern – nachgewiesen. Dies ermöglicht eine beispiellose Bestandsaufnahme Doppelsysteme kompakter Objekte und gibt neue Einblicke in die Sternentwicklung und die starke Gravitation.
Das Balzan-Preis-Projekt
Der Workshop, der von der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am AEI in Potsdam veranstaltet wird, ist Teil des Balzan-Preis-Projekts. Das Projekt untersucht die historischen und philosophischen Aspekte der Lösung des Zwei-Körper-Problems in der allgemeinen Relativitätstheorie. Es legt den Fokus auf die Entwicklung analytischer und numerischer Ansätze sowie auf die Wechselwirkungen – und Unterschiede – zwischen diesen Methoden. Das Projekt wird durch den Balzan-Preis finanziert, den Alessandra Buonanno 2021 im Bereich „Gravitation: Physikalische und astrophysikalische Aspekte” erhalten hat.
Themen des Workshops
Die Veranstaltung umfasst zwölf historische, philosophische und zukunftsorientierte Vorträge sowie drei Podiumsdiskussionen zu den folgenden Schlüsselthemen:
- Warum verliefen die Fortschritte in der analytischen Relativitätstheorie in Europa anders als in den USA und generell in anderen Ländern?
- Warum verliefen die Fortschritte in der numerischen Relativitätstheorie in Europa anders als in den USA und generell in anderen Ländern?
- Gegenseitige Anerkennung, Wettbewerb und Synergieeffekte zwischen den Ansätzen der analytischen und numerischen Relativität.
Es werden auch Beiträge von Experimentalphysiker*innen und Datenanalyst*innen einbezogen, um zu verdeutlichen, wie die theoretische Modellierung die Beobachtungstätigkeit beeinflusst und auf sie zurückwirkt.












