Gravitationswellen 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage entdeckt

LIGO öffnet mit der Beobachtung von Gravitationswellen kollidierender schwarzer Löcher ein neues Fenster zum Universum – Entscheidende Beiträge von Forschenden der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität Hannover

11. Februar 2016

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler:innen Kräuselungen der Raumzeit, sogenannte Gravitationswellen, beobachtet, die – ausgelöst von einem Großereignis im fernen Universum - die Erde erreichten. Diese Beobachtung bestätigt eine wichtige Vorhersage der von Albert Einstein im Jahr 1915 formulierten Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie öffnet gleichzeitig ein vollkommen neues Fenster zum Kosmos.

Begleitmaterialien und weitere Informationen:

Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut (AEI)) ist ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft mit Teilinstituten in Potsdam-Golm und in Hannover, wo es eng mit der Leibniz Universität Hannover zusammenarbeitet. Seit seiner Gründung im Jahr 1995 hat sich das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik als international führende Forschungseinrichtung etabliert. Fünf Abteilungen und mehrere unabhängige Forschungsgruppen bearbeiten am AEI das gesamte Spektrum der Gravitationsphysik: von den gewaltigen Dimensionen des Universums bis zu den winzigen Strings. Das AEI ist die einzige Forschungseinrichtung weltweit, die all diese Felder unter einem Dach vereint. Drei der fünf Abteilungen sind Teil der LIGO Scientific Collaboration und haben entscheidend dazu beigetragen, den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen Realität werden zu lassen.

Das Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover befindet sich am gleichen Ort wie das AEI Hannover. Unter einem Dach arbeiten Wissenschaftler:innen beider Institutionen eng an allen Aspekten der Gravitationswellenforschung. Mehr als 50 Studierende arbeiten als Doktoranden an der Leibniz Universität in der gemeinsamen International Max Planck Research School (IMPRS) on Gravitational Wave Astronomy.

Gravitationswellenforschung in der Max-Planck-Gesellschaft hat eine lange Tradition und reicht bis zu den ersten Anfängen in den 1960er Jahren zurück. Die Max-Planck-Forschungsgruppe führte Koinzidenz-Experimente zwischen resonanten Detektoren durch und widerlegte so die frühen Behauptungen eines direkten Nachweises von Gravitationswellen in den 1960er Jahren. Danach wandte sich die Gruppe der Laserinterferometrie zu und baute die ersten ernstzunehmenden Prototypen von laserinterferometrischen Gravitationswellen-Detektoren. Dabei entwickelten und/oder demonstrierten sie die meisten der Kernkonzepte, die nun ein zentraler Bestandteil aller großen Gravitationswellen-Observatorien sind: optische Modenfilter, Streulichtunterdrückung, Leistungsüberhöhung und später in der Zusammenarbeit mit der Leibniz Universität Hannover duales Recycling, resonante Seitenband-Extraktion, thermisch-adaptive Optik, mehrstufige monolithische Aufhängungen und stabilisierte Hochleistungslaser.

Gravitationswellen sind eine wichtige Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Danach erzeugen beschleunigte Bewegungen großer Massen Kräuselungen in der Raumzeit, die sich noch in großer Entfernung als winzige Abstandsänderungen zwischen Objekten nachweisen lassen. Doch selbst Gravitationswellen, die von astrophysikalischen Quellen – wie Sternexplosionen oder verschmelzenden schwarzen Löchern – erzeugt werden, verändern die Länge einer einen Kilometer langen Messstrecke nur um den Tausendstel Durchmesser eines Protons (10-18 Meter). Erst jetzt haben die Detektoren die erforderliche Empfindlichkeit erreicht, um Gravitationswellen zu messen. Die Beobachtung des bislang dunklen „gravitativen Universums“ läutet ein neues Zeitalter der Astronomie ein. Die Kollaboration umfasst interferometrische Gravitationswellen-Detektoren wie aLIGO (in den USA), GEO600 (in Deutschland) und Virgo (in Italien) sowie die geplanten Detektoren in Japan und Indien. Ein Detektor für niederfrequente Gravitationswellen im Weltraum (LISA) wird von ESA- und NASA-Wissenschaftlern und Forschenden der Leibniz Universität Hannover und vom AEI, die eine führende Rolle spielen, vorbereitet.

Das Signal, das nun entdeckt wurde, wird als GW150914 bezeichnet, da es die Erde am 14. September 2015 um 09:50:45 Weltzeit erreichte. Es wurde von beiden LIGO-Detektoren in Hanford und in Livingston registriert. Es dauerte rund 0,2 Sekunden, während derer das Signal in Frequenz und Amplitude zunahm. Über diesen Zeitraum stieg die Frequenz von 35 Hertz auf 250 Hertz an und das Signal hatte eine Spitzenamplitude von 10-21.

Aus den Ankunftszeiten des Signals – der Detektor in Livingston registrierte das Signal 7 Millisekunden vor dem Detektor in Hanford – schließen die Wissenschaftler:innen, dass die Quelle in der südlichen Himmelshalbkugel liegt.

Das Signal stimmt mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie für das Signal des finalen Umrundens und der letztendlichen Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern mit der 36- und 29-fachen Masse unserer Sonne überein. Das dabei entstehende schwarze Loch hat die 62-fache Masse unserer Sonne. Das Energieäquivalent von rund 3 Sonnenmassen wurde in einem Sekundenbruchteil in Gravitationswellen umgesetzt – das entspricht einer maximalen Leistung von rund 50-mal der des gesamten sichtbaren Universums. Aus den Beobachtungen wurde auf eine Entfernung von rund 410 Millionen Parsec (1,3 Milliarden Lichtjahre) zu dem System geschlossen.

Durch Charakterisierung der zufälligen Schwankungen des Rauschen in den Advanced LIGO-Detektoren ermittelten die Forschenden die statistische Signifikanz des Signals zu 5,1 Standardabweichungen. Das bedeutet, dass ein solches Signal in den 16 Tagen ausgewerteter Beobachtung weniger als einmal in 200.000 Jahren durch zufällige Rauschschwankungen entstehen kann.

Advanced LIGO besteht aus interferometrischen Gravitationswellen-Detektoren an zwei Standorten, einer in Hanford (Washington State, USA) und einer in Livingston (Louisiana, USA). An beiden Detektoren wird Laserlicht durch vier Kilometer lange, L-förmig angeordnete Vakuumröhren geschickt, um hochpräzise die Position von Spiegeln an den Röhrenenden zu vermessen. Nach Einsteins Relativitätstheorie ändert sich der Abstand der Spiegel minimal, wenn eine Gravitationswelle den Detektor durchläuft. Längenänderungen von weniger als dem Zehntausendstel eines Protondurchmessers (10-19 Meter) lassen sich so nachweisen.

Unabhängige und weit voneinander entfernte Observatorien sind erforderlich, um sicherzustellen, dass die Signale tatsächlich aus dem Weltall kommen und um die Himmelsposition ihrer Quelle zu bestimmen.

Advanced LIGO beendete die erste wissenschaftliche Datenaufnahme am 12. Januar 2016 nach vier Monaten Laufzeit. Während dieser Zeit war die Empfindlichkeit 3 bis 5 Mal höher als die von initial LIGO vor dem Ausbau. Beim Erreichen der Design-Empfindlichkeit wird eine 10-fache Erhöhung erwartet.

GEO600 ist ein interferometrischer Gravitationswellen-Detektor nahe Hannover mit 600 Meter langen Röhren für die Laserstrahlen. Entwicklung und Betrieb wurden und werden von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und der Leibniz Universität Hannover zusammen mit Partnern in Großbritannien durchgeführt. GEO600 ist Teil des weltweiten Netzwerks von Gravitationswellen-Detektoren und ist derzeit der einzige Detektor, der durchgängig Messdaten aufnimmt. GEO600 ist außerdem eine Ideenschmiede für fortschrittliche Detektortechnologien wie nicht-klassisches (gequetschtes) Licht, Signal- und Leistungsüberhöhung und monolithische Aufhängungen für die Optik.

Atlas ist ein großer Computercluster am Albert-Einstein-Institut in Hannover mit enormer Rechenkraft. Atlas besteht aus mehr als 14.000 CPU- und 250.000 GPU-Rechenkernen. Dies macht Atlas zum leistungsfähigsten speziell für die Gravitationswellen-Datenanalyse gebauten Computercluster der Welt. Atlas wird hauptsächlich von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert und erhält Betriebsmittel von der Leibniz Universität Hannover.

Informationen zur Finanzierung der Detektoren

Der Betrieb von LIGO wird von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) finanziert, die Detektoranlagen werden von Caltech und MIT betrieben. Das LIGO-Upgrade wurde von der NSF finanziert mit wichtigen finanziellen und technischen Beiträgen von der Max-Planck-Gesellschaft, dem britischen Science and Technology Facilities Council (STFC) und dem Australian Research Council (ARC).

Die Finanzierung von GEO600 tragen das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Land Niedersachsen, die Max-Planck-Gesellschaft, der Science and Technology Facilities Council, und die VolkswagenStiftung.

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